AUF DIE STÜRMISCHE ART


Du sollst nicht Ehebrechen

Sandra Bullock als voreheliche Versuchung

In wenigen Tagen nur wird Ben (Ben Affleck) seine langjährige Verlobte Bridget (Maura Tierney) zum Traualtar führen. Wo auch immer Ben von seinen Heiratsplänen zu erzählen beginnt, provoziert er Stirnrunzeln und ernüchternde Kommentare. Sein bester Freund schenkt ihm ein Nachschlagewerk mit heiratsfeindlichen Bonmots der Weltliteratur, eine Tischnachbarin berichtet freizügig von Jahrzehnten des orgasmusfreien Ehevollzuges, und selbst der eigene Großvater zieht am Krankenbett eine bittere Bilanz. Trotzdem begibt sich der unverbesserliche Bräutigam auf den Weg von New York nach Savannah, wo die Trauung in romantischem Südstaatenambiente stattfinden soll. Die Reise wird zum emotionalen Hindernisparkour. Das Flugzeug verunglückt noch auf der Startbahn, und im Katastrophentumult gerät Ben an die ach so exzentrische Sarah. Sandra Bullock spielt die voreheliche Versuchung, die mit ihrem flatterhaften Wesen den verklemmten Ben aus der Reserve lockt. Mit Bus und Bahn geht's quer durchs weite Land. Aufregende Abenteuer wie verpaßte Züge und Kreditkartenklau gilt es gemeinsam zu bestehen. Man kommt sich näher und näher, die Blicke werden tief, Lippen berühren sich flüchtig, aber eigentlich glaubt niemand im Saal, daß Regisseur Bronwen Hughes das Hochzeitsversprechen zum Abschuß freigibt.
Schon nach wenigen Minuten legt Sandra Bullock ihre vielversprechende Ruchlosigkeit ab und mutiert erneut zum rehäugigen Kumpeltyp. Ausgesprochen prüde werden hier die vorehelichen Versuchungen in Szene gesetzt. Erotischer Höhepunkt ist Bens Blick ins Badezimmer durch eine Strukturglasscheibe. Nur mühsam kann man dahinter den nackten Körper von Sandra Bullock vermuten. Als Ben zum Broterwerb in einem Homo-Club einen Striptese darbietet, behält er Hemd und Shorts gemäß der Gesetze zum Schutze der Jugend an. So spießig können wilde Abenteuer in Hollywood aussehen. Am Schluß kehren die Beteiligten gereift in ihr altes glückbringendes Leben zurück. Der Ausbruch findet nicht statt.
Romantische Komödien wie Auf die stürmische Art sind bemühte Reanimationsversuche der Screwball-Comedies der 50er Jahre. Damals stand im Kino Heirat für den Sex, den man nicht zeigen durfte, bei den turbulenten Kämpfen vor dem Gang zum Traualtar ging es eigentlich darum, wer mit wem ins Bett gehen darf. Das ist heute anders. Vorehelicher Sex wird sogar im Hollywoodfilm regelmäßig praktiziert, und wenn von Heirat gesprochen wird, meint man damit weniger erotische Erfüllung als vielmehr so langweilige Dinge wie gemeinsame Lebensplanung, Klärung der Fortpflanzungsmodalitäten, berufliche und gesellschaftliche Etablierung. Vielleicht liegt es daran, daß jeder zweitklassige Doris-Day-Film mehr Pfeffer hat als diese biedere Komödie, die so müde die Institution Ehe als romantisches Relikt gegen die Wirren des postmoderenen Lebens verteidigt.

Martin Schwickert