AUFGELEGT


Der Handy-Film

Meg Ryan muss mal telefonieren

Allgegenwärtige telefonische Erreichbarkeit ist die Geißel des modernen Menschen. Eve (Meg Ryan) ist fernsprechsüchtig und ein geplagtes Opfer der Telefongesellschaft. Fax-Kombination im Flur, drahtloses Telefon in der Küche, Handy für unterwegs, Autofreisprechanlage - das volle Programm. Als Hausfrau, Mutter und Inhaberin eines Partyservices organisiert Eve ihr Leben auf allen Leitungen.
Außerdem ist die mittlere von drei Schwestern zentrale Anlaufstelle für die Sorgen und Nöte der weit verstreuten Familie. Vater Lou (Walter Matthau) ist nie darüber hinweg gekommen, dass seine Frau ihn verlassen hat. Der eigenwillige alte Herr leidet unter zunehmender geistiger Verwirrung und hält vom Krankenhaus aus seine Töchter telefonisch auf Trab. Georgia (Diane Keaton) ist die große erfolgreiche Schwester, die sich als Herausgeberin eines Hochglanz-Frauenmagazins im Licht der Öffentlichkeit sonnt. Die jüngste Schwester Maddy (Lisa Kudrow) lebt ihr neurotische Leben als zweitklassiger TV-Star einer Vorabendserie.
Trotz seiner Krankheit versteht es der alte Lou immer noch bestens, seine Töchter gegeneinander auszuspielen. Zwischen geschwisterlicher Vertrautheit und erbitterter Konkurrenz bewegt sich der rege Telefonverkehr, und ausgerechnet am Sterbebett des Vaters kommt es zum reinigenden Familiengewitter. Mit Aufgelegt legt Schauspielerin Diane Keaton ihre dritte Kino-Regie vor und greift dabei auf ein Drehbuch von Nora und Delia Ephron zurück.
Die erfahrenen Autorinnen zeichneten schon für Erfolgskomödien wie Schlaflos in Seattle, Harry und Sally und zuletzt E-m@il für Dich verantwortlich, die ebenfalls allesamt mit Meg Ryan in der Hauptrolle verfilmt wurden. Erneut buhlt Meg Ryan als all american girl um die Sympathien des ganz großen Publikums und auch das Drehbuch greift schamlos nach der breite Masse. Die verschiedenen Schwester-Varianten erfüllen alle Klischee-Erwartungen und die Mischung zwischen Screwball-Comedy und Familienrührstück versucht, verschiedensten Zuschauerbedürfnissen Rechnung zu tragen.
Dabei wirken die tragischen Momente, wie das Sterben des Vaters, genauso künstlich wie die pseudoturbulente Grundstimmung, mit der Regisseurin Keaton ihre sentimentale Routine-Komödie überzieht. Ewiges Handygepiepe und endlose Telefonate halten Aufgelegt in einer krampfhaften Dauerhysterie, die nicht über die schematische Story hinwegtäuschen kann. Man ist aufrichtig erlöst, als Eve endlich ihr Handy an einen riesigen Bernhardiner verfüttert, und wünscht sich insgeheim, das Viech hätte den Film gleich mitgefressen.

Martin Schwickert