DER 32. AUGUST AUF ERDEN


Wüste Beziehung

Mach mir ein Kind - aber nicht hier!

Nur für einen Augenblick gibt Simone während der Autofahrt ihrer bleiernen Müdigkeit nach. Als sie aufwacht, hängt sie kopfüber in einem Maisfeld. Sie kämpft sich aus ihrem Wagen und steht wie ausgesetzt am Straßenrand. Es ist der 32. August auf Erden, und alles soll anders werden.
Finstere, kühl blau-grün schimmernde Bilder beherrschen die Anfangssequenz, Jumpcuts verdeutlichen Simones Verwirrungen, und schon hier teilen sich Großaufnahmen und weitläufige Scope-Totalen den Verdienst der dichten Atmosphäre. Simone beschließt, nachdem sie im Krankenhaus für unverletzt erklärt wurde, ihren Job als Model zu kündigen und ihre Chance, die ihr der 32. August geboten hatte, zu nutzen. Sie überredet ihren besten Freund Philippe, ihr ein Kind zu machen. Doch dieser stellt in seiner Not eine Bedingung: nur in der Wüste. Simone bucht den nächsten Flug nach Salt Lake City, und wenige Stunden später stehen sie mitten im gleißenden Weiß der Salzwüste.
Hier erreicht die sich steigernde Wärme und Helligkeit der Bilder ihren Höhepunkt, Eigenschaften, die sich jedoch auf die beiden Figuren nicht übertragen mögen. Mit weitreichenden Vogelperspektiven und langen Einstellungen verdeutlichen der Francokanadier Denis Villeneuve und Kameramann André Turpin die Unerbittlichkeit der Wüste und gleichzeitig die eigene innere Orientierungslosigkeit der Figuren, die, erneut wie ausgesetzt, zusammen allein durch die Ödnis irren. So verloren sie durch die ewige Weite der Bilder streunen, so wenig finden sie in der Enge eines "Space Hotels" (netter Widerspruch), was sie suchen. Und ganz am Ende wird es doch noch September.
Denis Villeneuves visuelles Konzept findet die perfekte Kombination aus fast antriebsarm wirkenden Einstellungen und der Hast suggerierenden Jumpcut-Technik, aus Panorama-Totalen und klaustrophoben Großaufnahmen. So stürzt er am anfänglichen Wiedersehen der beiden Freunde mit 2-3 Schnitten vorbei und weidet sich an anderer Stelle, während Philippe offscreen mit seiner eigentlichen Lebenspartnerin diskutiert, am Dubini Bros. Filmplakat Jean Sebergs (und ich finde, Pascale Bussière vermag dem damit servierten Vergleich sogar standzuhalten). Diese Verbindung scheinbar stilistischer Gegensätze, die auf gelungene Weise das Temperament der beiden Hauptfiguren auf die Bildebene transportieren, macht den 32. August auf Erden zu einem optischen Genuß. Den Rest erledigt dann die magische Pascale Bussière.

Oliver Baumgarten