AUSNAHMEZUSTAND


Alle ins Lager

Action mit Hirn: Wie schützt man sich vor Terroristen?

Wenn das Actionkino im letzten Jahr Kontinuität offenbarte, dann in einem Punkt: der möglichst spektakulären Zerstörung von New York. In Deep Impact, Armageddon und Godzilla schlugen Filmemacher unterschiedliche Modelle von Entkernung vor. So comichaft die Ausmaße waren, symbolisierten sie doch eines: Ist New York bedroht, geht es der ganzen (westlichen) Welt an den Kragen.
In Ausnahmezustand von Edward Zwick zentriert sich das Demolierinteresse opferbweußt. Terroranschläge islamischer Fundamentalisten erschüttern die Stadt. Ein Bus wird in die Luft gejagt, eine Broadway-Veranstaltung gesprengt und letzlich gar das FBI-Gebäude. Die Menschen weinen, schütteln den Kopf und geben ihrem sprachlosen Schrecken in Zeitlupe Ausdruck.
FBI-Agent Anthony Hubbard (Denzel Washington) steht den skrupellosen Drahtziehern machtlos gegenüber. Eine unterkühlte Dame des CIA (Annette Benning) könnte helfen, tut es jedoch nur häppchenweise. In Washington polarisieren sich mittlerweile Militär und Liberale. Über New York wird der Ausnahmezustand verhängt. Der despotische General Devereaux (Bruce Willis) soll ihn überwachen.
Mit dem Film bemühen sich die Beteiligten um eine schwierige Gratwanderung. Was anfangs als schwarz-weißer Islamfanatikertum aufgenommen wird, wandelt sich zu einem handfesten Magendrücker. Die Fanatiker stehen an beiden Fronten. Der US-General und der arabische Scheich operieren ähnlich, nur in unterschiedlichen Systemen. Willis tyrannisiert mit ausgesuchter Gelassenheit Gefangene und errichtet Lager für männliche Islamisten, die Vorbildern in Nazi-Deutschland oder Bosnien nicht nachstehen. Wenn sich die Kamera hoch über Washingtons Kopf erhebt und in ein umzäuntes Stadionfeld voller Gefangenen schwenkt, schaudert es.
In Amerika bröckelt die Zuversicht. Vor uneingeschränktem Vaterlandsvertrauen warnt nicht nur dieser Film. Vergleiche zu Der Staatsfeind Nr. 1 oder Spiel auf Zeit drängen sich auf. Am Ende siegt natürlich ein staatliches Organ, aber Ausnahmezustand skizziert deutlich, mit welcher Brutalität die Supermacht vorgehen und sich selbst an einen Abgrund bringen könnte. Im Fadenkreuz jeglicher Kritik steht auch hier der Geheimdienst.
Regisseur Zwick (Legenden der Leidenschaft) baut den Film chronologisch und handwerklich versiert auf. Die Geschichte bietet genug Stauraum für Verfolgungssequenzen, schnelle Schnitte und rasante Ortswechsel. Trotz üblichen Pathos ist Ausnahmezustand ein spannendes und lohnendes Terrorszenario.

Ulf Lippitz