DER GROSSE AUSVERKAUF

Wühltisch Welt

Ein Dokumentarfilm über die globale Privatisierung

Ein Taxi in New York. Im Fond sitzt ein Nobelpreisträger für Wirtschaftwissenschaften und erklärt Wirtschaftspolitik als eine Art der Kriegsführung. Derweil tickt vorne der Taxameter. So bringt der deutsche Dokumentarfilmer Florian Opitz gleich in den ersten Bildern seines Films Thema und Methode, direkte Expertise und herbeimontiertes Argument sinnfällig zusammen.
Es geht ihm um die Kosten des Neoliberalismus. Fachleute erklären in Interviews, warum die Ent-Staatlichung von Transportwesen, Energieversorgung oder Gesundheitssystem als Motor des Fortschritts gilt und warum oft das Gegenteil dabei heraus kommt. Vor allem aber erzählt Opitz ruhig, freundlich, ohne Agitprop-Gesten in vier konkreten Beispielen, wie Menschen mit den Zumutungen des freien Handels umgehen.
"Sie haben uns unsere eigene Infrastruktur verkauft" beschwert sich etwa ein englischer Lokführer. Mit der Privatisierung der britischen Bahnen unter Maggie Thatcher begann der globale Wirtschaftskrieg gegen sozialistische Tendenzen. Die Fahrpreise stiegen, die Qualität sank, es gab mehrere große Unfälle und es kostete am Ende mehr Subventionen als zuvor. Zwischen den Informationen stehen die enttäuschten Bahner in der Kleiderkammer und kriegen eine neue Uniform, weil schon wieder eine neue Firma den Laden übernommen hat.
In Südafrika folgt Opitz einer Gruppe Strom-Piraten, die gegen die ständig steigenden Preise des Energiekonzerns kämpfen. Die Firma klemmt zahlungsunfähige Rentner und Arbeitslose ab, die Piraten verlegen einfach neue Leitungen. Das ist keine dauerhafte Lösung, aber wenigstens gehen in den Hütten der armen Leute von Soweto die Lichter immer nur vorübergehend aus.
In Bolivien legte sich eine ganze Stadt mit der Regierung an, die die öffentliche Wasserversorgung an eine amerikanische Firma verkaufte. Sogar das Sammeln von Regenwasser wurde verboten. Auch hier stiegen die Preise und die Qualität der Versorgung sank, ganz anders als es das neoliberale Dogma vorsieht. Die Bevölkerung protestierte, das Militär erschoss ein paar Demonstranten, schließlich ging der "Wasserkrieg" gut aus. Es gibt jetzt kommunale Wasserwerke.
In Manila schließlich begleitet Opitz eine Mutter bei den verzweifelten Versuchen, immer wieder Geld für die Dialyse ihres Sohnes aufzutreiben. Das philippinischen Gesundheitswesen ist fast komplett privatisiert, selbst grundlegende und lebensnotwendige Behandlungen kosten viel Geld, eine Dialyse mehr als einen Wochenlohn.
Außer den direkt Betroffenen kommt auch die "andere Seite" zu Wort. Ein Klinikchef preist seine international wettbewerbsfähige Herz-Station, ein Werbefilm der Weltbank erklärt, Privatisierung tue vielleicht weh, helfe aber auf Dauer. Das glaubt Florian Opitz sichtlich nicht. Auch sein Nobelpreisträger, Joseph Stiglitz, selbst früher Weltbank-Ökonom, sagt, es sei nur ein ideologisches Märchen, dass der Markt alles zum Guten regle.

WING

D 2007, R/B: Florian Opitz, K: Andy Lehmann