BARCELONA FÜR EIN JAHR

Die Euro-WG

Ein Student in der Fremde

Das Schlimmste am Studium ist das Ende. Der unausweichliche Abschied ins Berufleben naht - einen Schritt, den der französische Wirtschafts-Student Xavier (Romain Duris) noch nicht zu gehen bereit ist. Er zögert die Abnabelung vom Katheder um ein Jahr hinaus und bewirbt sich stattdessen um einen Studienplatz im inner-europäischen Erasmus-Programm. Barcelona für ein Jahr - es hätte schlimmer kommen können.
Die Bürokratie, Mama und Freundin zeigen sich widerborstig, unerbittliches Weichklopfen trägt aber letztlich den Sieg davon: Xavier findet sich unter katalanischer Sonne wieder. Mit einem realistisch-zwinkernden Auge erzählt Regisseur und Drehbuch-Autor Cédric Klapisch von den Versuchen, sich in der neuen Sprache zu orientieren, eine geeignete Wohnung zu finden und das vorübergehende Scheitern als Chance zu begreifen. Am Ende landet Xavier in einer WG, die ein Traum für jeden Austauschstudenten ist: Altbau, unaufgeräumtes Wohnzimmer, sechs internationale Mitbewohner - und alle wie er auf Zeit vor Ort.
Viel Party, wenig Uni, viel Konflikt-Potenzial: England, Deutschland, Italien, Dänemark, Frankreich, Spanien und Belgien unter einem Dach - das ist im Grunde die juvenile Slacker-Metapher für das europäische Haus, das man in Brüssel theoretisiert. Die filmischen Probleme sind jedoch weitaus prosaischer: Wer macht das Klo sauber? Wer kauft ein? Wer hat aus meinem Kühlschrank-Regal geklaut? Dazu gesellen sich amoröse Fallstricke: Wie den Kur- gibt es bekanntlich auch den Erasmus-Schatten. Böse Überraschungen erwarten einen, wenn der oder die Geliebte aus der Heimat plötzlich zum unangekündigten Besuch vor der Tür steht.
Xavier muss während des spanischen Reifeprozesses sein Verhältnis zu drei Frauen meistern: zu seiner Pariser Freundin (Audrey Tautou aus Amelie), die zunehmend in den Schatten tritt, zu seiner lesbischen Mitbewohnerin, in die er heimlich verschossen ist, und zu einer verheirateten Französin (Judith Godreche), die im quirligen Studenten den Fluchtweg vom langweiligen Mann zu erkennen glaubt. Ironie des Schicksals: Just die angebetete Mitbewohnerin zeigt Xavier in einer anbetungswürdigen Szene wie er die Arzt-Gattin verführt.
Klapisch, dessen erster Erfolg Und jeder sucht sein Kätzchen gerade für den amerikanischen Markt neu verfilmt wird, hat mit Barcelona für ein Jahr ein heiteres, nah an der Wirklichkeit segelndes Studenten-Epos geschaffen. Der Charme des Filmes macht seine offensichtliche Multikultur aus - die stets durcheinander wirbelnden Sprachen, die unterschiedlichen Sitten und die daraus erwachsenden Lehren für die Anderen. Dass man als Deutscher keinen Spaß versteht, wenn man mit Hitler assoziiert wird, weiß nun ganz Europa. Viel Nostalgie bleibt am Ende des Filmes kleben - aber auch die Einsicht, dass der richtige Weg manchmal über einen Umweg führt: über Barcelona.

Ulf Lippitz

L'Auberge Espagnole, F 2002, 122 Minuten, R, B: Cédric Klapisch, K: Dominique Colin, D: Romain Duris, Audrey Tautou, Cecile de France, Barnaby Metschurat, Judith Gedreche