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Der einsame Stepptänzer

Massaker in der Mietwohnung

Ein Klingeln im Dunkeln - plötzlich öffnet ein Spion den Blick nach außen. Sichtbar wird das Interieur eines extravaganten Appartments - Wohn- und Schlafzimmer, Bad, Küche, dazu Bilder eines Steppenden. Schließlich eine Art Schrein mit den Accessoires eines großen Tänzers.
Ein älterer Herr lernt gerade beim Frühstück mit Hilfe eines Tonbands Englisch: "Marmelade is good for breakfast", während sein neuer Nachbar den Aufzug verläßt und sich dabei eine Tauchermaske vom Kopf zieht. Während Monsieur Clément den Kühlschrank öffnet und ihm ein warmes, jedoch unheimliches blaues Licht entgegenleuchtet, führt Luc ein heiteres Telefongespräch.
Von da an braucht der Film keine fünf Minuten, um sein Alptraumszenario zu entwerfen. Als Luc eine Einladung zum Abendessen mit Monsieur Clément und dessen Frau Violette vergißt, kommt es ihn teuer zu stehen. In die Wohnung gelockt und einer Pappmachébraut vorgestellt, wird ihm schließlich eins übergebraten. Später findet er sich angekettet im weiß gekachelten Badezimmer des Nachbarn wieder. Es beginnt ein unvorstellbarer Alptraum. Zwar begibt sich Lucs schwangere Freundin auf die Suche nach ihm, und auch er selber bemüht sich des öfteren, dem Schreckenskabinett zu entkommen, doch scheitert er immer wieder. Wobei die Fluchtaktionen immer übler für Luc enden, da Clément keinen Spaß versteht, wenn seine Gastfreundschaft nicht gewürdigt wird und so schon mal eine Gabel oder einen Feuerlöscher zweckentfremdet. Nachdem der weiße Raum gegen ein speziell für Luc hinter einer Bücherwand rot ausgepolstertes Verließ eingetauscht wurde, scheint jede Hoffnung verloren.
Virtuos konzentriert Haim die Geschichte aufs Notwendige. Keine Dialogzeile und keine Einstellung ist überflüssig. Das brillante Kamerakonzept und die stringente Farbdramaturgie tragen viel zur grausamen Stimmung bei. Verspielt, jedoch nie grundlos, bietet der Film dynamische Schnittfolgen, die für den nötigen Thrill sorgen. So sehen wir plötzlich mit Lucs Augen die Welt verkehrt herum oder erleben einen raffinierten Perspektivwechsel, als seine Freundin uns von ihrer Suche nach ihm erzählt. Ein ums andere Mal führt der Filmemacher auch den Zuschauer hinters Licht, als er Traum- oder Alptraumvorstellungen der Protagonisten für einige Sequenzen real erscheinen läßt. So glaubt sich Luc schon durch eine von ihm herbeigeführte Überschwemmung gerettet. Pustekuchen.
In keiner Szene verrät der Film die Motive von Cléments diabolischem Handeln. Lediglich einige oberflächliche Anspielungen thematisieren die Einsamkeit des Steptänzers.
Auf das weitere Treiben des Monsieur Haim allerdings darf interessiert gewartet werden.

Nikolaj Nikitin