BATTLE IN HEAVEN

Der Himmel über Mexiko

Sex und Erlösung: Sinnsuche zwischen Blowjob und Wallfahrt

Der zweite Film des mexikanischen Ex-Rugbyspielers und Anwaltes Carlos Reygadas hat tatsächlich einen Inhalt, aber wenn man ihn erzählt, entsteht der Eindruck, bei diesem Film ginge es um eine Geschichte.
Am Anfang steht ein Mann mit finsterem Gesicht in einem leeren Raum. Er ist nackt und lässt sich von einer jungen Frau einen blasen. Am Ende des Films sehen wir das gleiche Bild wieder, jetzt lächelt der Mann, und die Frau nimmt kurz seinen Schwanz aus dem Mund und sagt "Ich liebe dich" - ein Bild bezieht sich auf ein anderes, dazwischen mag alles möglich liegen, vielleicht sogar der Sinn des Lebens - so etwa funktioniert dieses filmische Konzept.
Andererseits: vielleicht ist der Mann in den 90 Film-Minuten dazwischen auch einfach nur gekommen und die Frau sagt, was Frauen dann manchmal sagen. Das wäre dann der Inhalt, die Geschichte. In diesem Sinne hat Battle in Heaven eine Geschichte.
Marcos hat Schuld auf sich geladen. Wegen ihm ist ein Baby gestorben. Deshalb vögelt er die junge Hure Anna, die ihm sagt: geh zur Polizei. Dann vögelt er seine Frau, die sagt "Schade um das Geld" (das Baby war gekidnappt und sollte Lösegeld bringen) und rät ihm, eine Wallfahrt zu machen, bevor er sich der Polizei stellt.
Battle in Heaven ist einer jener Filme, die das Leben als Strafe darstellen. Überall ist das Elend, es gibt keine Erlösung, nur lange Kameraschwenks, Laiendarsteller... es ist eine große Verlorenheit unter den Menschen. Immerhin: An guten Tagen gibt's Sex. Und der lässt sich eigentlich immer gut filmen, weshalb auch ein eher trockenes Werk wie Battle in Heaven wegen der direkten, unpathetischen Sexszenen seine Schauwerte (und sein Skandälchen) hat. Der letzte Tango in Paris ist ja auch nicht in die Filmgeschichte eingegangen wegen der Tiefe seiner Dialoge, sondern weil Marlon Brando zwei Finger in ein Stück Butter steckt und sie Maria Schneider in den Hintern schiebt. Zur Strafe wird er später erschossen. Diese Art von "tabuloser Kunst" ist immer sehr katholisch.
Battle in Heaven enthält eine Fülle verwirrender Bilder, zum Teil dokumentarisch mitten in Mexico City aufgenommen. Er ist raffiniert geschnitten, sein Soundtrack stemmt sich ständig gegen die Bilder. Bei aller Lust und Tragik und Lust an der Tragik hat er sogar Humor. Und er legt einen Weg zurück, also gibt es eine Geschichte. Die ist etwas konfus, bedient sich jedoch souverän der drei bekannten metaphysischen Sargnägel "Sünde, Vergebung, und Erlösung". Dass Marcos am Ende lächelt, ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen. Schon weil der Film dann zuende ist.

Thomas Friedrich

Batalla en il cielo. Mex. 2005 R&B: Carlos Reygadas. K: Diego Martinez Vignatti. D: Marcos Hernandez, Anapola Mushkadiz, Bertha Ruiz.