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Das tapfere Schlepperlein

Der erste Spielfilm des Dokumentaristen Erwin Wagenhofer

Mit We Feed the World und Lets Make Money untersuchte er die Auswüchse der industrialisierten Nahrungsmittelproduktion und den finanzkapitalistischen Irrsinn. In Wagenhofers erstem Spielfilm fahren wir mit einem Truck voller illegaler Afrikaner durch die Kulissen der Dokumentationen, durch horizontweite Tomatenplantagen in Spanien, auf denen nur Illegale arbeiten, und durch leer stehende Neubausiedlungen hübscher Spekulationsvillen, die voll eingerichtet, Kunstobst und Buchattrappen in den Regalen, unter Polizeischutz auf Wertsteigerung warten. In solchen Beiseite-Beobachtungen ist Erwin Wagenhofer ganz bei seinem Handwerk und beeindruckend. Und auch wenn er in der Spielhandlung knapp bleibt, kann die Geschichte packen. Oft aber geht das Doppelgeschäft aus Story und Gewissensprüfung schief.

"Don Pedro", ein Wiener Trucker, der "seit der Wirtschaftkrise" illusionslos aber zunehmend missmutig im Schlepperwesen tätig ist, fährt ukrainischen Knoblauch nach Marokko, damit er dort umetikettiert edler und teurer wird. Außerdem lädt er Flüchtlinge für ein Zusatzgeschäft in einen versteckten Verschlag. Diesmal aber weigert sich eine junge Ghanaerin mit ihrem Sohn, sich einschließen zu lassen, setzt sich frech ins Führerhaus und verblüfft mit rudimentären "Dütsch"-Kenntnissen. Angerührt nimmt der schweigsame Cowboy sie mit und wird sich, Fluch des dramaturgischen Zwangs, später in sie verlieben. Da hat Wagenhofer wohl zu viel Western gesehen und seinem Outlaw eine sichtbare moralische Erweckung verpassen wollen.

Der ruppige Schlepper verwandelt sich in einen trickreichen Fluchthelfer, der seinen Laster, inzwischen mit spanischen Tomaten gefüllt, an der Fremdenpolizei, einem missgünstigen Kollegen und anderen Hindernissen vorbeimogelt. Das ist manchmal sogar witzig. Über weite Strecken geraten die Afrikaner im Zwischendeck dabei völlig in Vergessenheit.

Und hin und wieder muss Pedro die Botschaft ausplaudern, als traue der Regisseur seiner Story nicht und nicht den weiten ruhigen Bildern seines guten Kameramanns. "Du hälst mich für einen Kriminellen? Das bin ich nicht. Kriminell ist das System, das uns in diese beschissene Lage bringt". Oh je. Hätte das der fiese Chef im Rollstuhl gesagt, den begeisterte Kritiker mit dem Eisenbahnboss auf Krücken in Once Upon a Time in the West vergleichen, dann wäre wenigstens etwas Doppelbödigkeit in der Ausrede. Hier ist eher aus Charles Bronson Audy Murphy geworden.

Wing

Ö 2011. R: Erwin Wagenhofer B: Cooky Ziesche K: Martin Gschlacht D: Fritz Karl, Clare Hope-Ashitey, Theo Caleb-Chapman, Wortan Wilke Möhring