Beasts of the Southern Wild

Schmuddelkinder

Wo die wilden Kerle wohnen: Ein Märchenfilm mit Verstand und Witz

Es ist eine Müllhalde, irgendwo in den Bayous von Louisianna, auf und in der das kleine Mädchen Hushpuppy lebt, aber für sie ist es der schönste Ort der Welt. Weil ihr vergessener Teil der Welt, den sie sich mit anderen Sonderlingen teilt (die ein bisschen an die Horde Gescheiterter aus Degenhardts "Väterchen Franz" erinnern), vom Rest der Welt mit einer Mauer abgetrennt wurde, steht Hushpuppy und ihrem Vater und ihren Nachbarn das Wasser immer wieder bis zum Hals. Unkommentiert schneidet Regisseur und Autor Benh Zeitlin Bilder von schmelzenden, abbrechenden Eisschollen in seinen Film, bei dem vieles nicht mit rechten Dingen zugeht. Es gibt Monster und Magie und lebendige Erinnerungen und einen Vater, der jeden Tag wie durch Zauberei ein frisches Huhn auf den Grill legt.

Eines Tages bringt ein Sturm Hushpuppys Welt durcheinander, sie wird mit ihren Nachbarn evakuiert und landet in einem Haus, in dem alles weiß ist und die Menschen grüne Kittel tragen und andere Menschen mit Schläuchen versorgen, die direkt aus den Wänden zu kommen scheinen.

Benh Zeitlins schrulliger Märchenfilm, von Robert Redfords Sundance Institut koproduziert, hat schon auf vielen Festivals für Begeisterung gesorgt. Ganz und gar anrührend und vollkommen kitschfrei zeigt er die Welt aus der Sicht eines kleinen Mädchens. Die Welt, sagt Hushpuppy, besteht aus vielen kleinen Teilen, und wenn eines davon kaputt geht, leidet die ganze Welt darunter. Aber, fügt sie aus dem Off an, man kann alles reparieren.

Mit geradezu unheimlichem Talent spielt die sechsjährige Quvenzhané Wallis dieses Mädchen; der US-Filmkritiker Roger Ebert beschrieb sie als "Naturgewalt". Sie bewegt sich absolut souverän durch diese Geschichte, in der es gilt, das größte Monster von allen zu bezwingen: die Angst. Zeitlin findet dafür ein Schlussbild, wie es nur selten im Kino gelingt. Wie überhaupt dieser Independent-Film mit seinen ästhetisierten Bildern der Armut nichts verharmlost und mit seinem Soundtrack und seiner ruppigen Erzählweise einen Ton setzt, den etwa Spike Jonze in Wo die wilden Kerle wohnen verzweifelt gesucht aber nicht gefunden hat.

Thomas Friedrich

USA 2012 R: Benh Zeitlin B: Lucy Alibar, Benh Zeitlin (nach Lucy Alibars Stück "Juicy and Delicious") K: Ben Richardson D: Quvenzhané Wallis, Dwight Henry, Levy Easterly