AMERICAN BEAUTY


Papis Kampf

Kevin Spacey krempelt sein spießiges Leben um

Der amerikanische Mittelstand war im Kino schon oft Gegenstand satirischer Untersuchungen, aber selten wurde das erstarrte Familienleben der Vorstädter derart gnadenlos durchfrittiert wie in Sam Mendes Regiedebüt American Beauty.
Aus dem Jenseits blickt Lester Burnham (Kevin Spacey) auf sein letztes Lebensjahr. In der blankpolierten Eigenheimsiedlung am Rande der Stadt fristet der frustrierte Familienvater seine sinnlose Existenz: vom Chef drangsaliert, von der Frau unterjocht und von der Tochter verachtet.
Das eheliche Sexleben ist schon lange zum Erliegen gekommen, und Lesters einsame Höhepunkte finden allmorgendlich unter der Dusche statt. Ausgerechnet in die Freundin seiner Tochter verguckt sich der erschlaffte Mittvierziger, und das Traumbild der blonden Cheerleaderin setzt eine bizarre Katharsis in Gang.
Innerhalb weniger Wochen revolutioniert Lester das matriarchale Familienleben, erpresst seinen Chef, kündigt den verhassten Bürojob, kauft sich einen knallroten Firebird, beginnt in der Garage Hanteln zu stemmen und Marihuana zu rauchen. Vatis Befreiungskampf - anfangs nur müde belächelt - steckt bald auch den Rest der Familie an. Gattin Carolyn (Annette Bening) beginnt eine wilde Motel-Affäre mit einem erfolgreichen Immobilienmakler. Tochter Jane (Thora Birch) wendet sich endgültig von ihren durchgeknallten Eltern ab und dem drogendealenden Nachbarsjungen Ricky (Wes Bentley) zu.
Im Nebenhaus führt Colonell Fitts (Chris Cooper) ein eisernes Regime. Regelmäßig lässt er den Urin seines Sohnes auf Drogenrückstände untersuchen. Ricky hat seine eigenen Strategien gegen den tyrannischen Vater entwickelt und flüchtet schließlich mit Jane, bevor sich der Gefühlsstau in der Vorstadt in einer stürmischen Gewitternacht entlädt.
In seinem vielbeachteten Hollywood-Debüt entwickelt der britische Theaterregisseur Sam Mendes einen ungewöhnlichen, fast schon sensiblen Sarkasmus. Obwohl die kleinkarierten amerikanischen Wert- und Moralvorstellungen hier mit kochender Säure übergossen werden, verkommen die Figuren nicht zu bloßen Karikaturen.
Als rebellierender Mittelständler gibt Kevin Spacey die beste Vorstellung seiner Karriere und verleiht dieser an sich lächerlichen Figur die notwendige ironische Tiefe. Mit Annette Benning als erfolgsgeile Immobilienmaklerin, Chris Cooper als verkappt schwulen Haustyrann und vor allem mit den Teenager-Darstellern Wes Bentley und Thora Birch ist American Beauty ideal besetzt, und das hervorragende Skript von Alan Ball bietet für jeden Charakter genügend Entwicklungsmöglichkeiten.
Ist die Vorstadtrebellion erst einmal ins Rollen gekommen ist, kann man in American Beauty jedem alles zutrauen.

Martin Schwickert