BEING JULIA

Verletzte Diva
Annette Bening nimmt Rache

Dass mit verschmähten Frauen nicht gut Kirschenessen ist, wissen die meisten von uns - Annette Bening beweist uns in Being Julia allerdings, dass es selbst da noch eine Steigerung gibt: verschmähte Schauspielerinnen.
Julia Langdon ist eine von ihnen, schlimmer noch: sie ist die Königin der Londoner Bühnen, damals in den 30ern, als man Film noch als vulgäre Unterhaltung für die Massen betrachtete. Ihre lockere Ehe lässt ihr durchaus Raum für den einen oder anderen Seitensprung; als sie sich jedoch in einen weitaus jüngeren Amerikaner verliebt, übertritt sie die Grenze zwischen harmlosem Sex und wirklichen Gefühlen und begibt sich in eine Situation, die geradezu danach schreit, dass ihr so gut verborgenes Herz gebrochen wird.
Being Julia hätte nur zu gut zu einer weiteren Schnulze über die Leiden einer Frau reiferen Alters werden können; glücklicherweise beschließt Julia, ihr schauspielerisches Talent - ohnehin schon die beste passive Schutzmauer gegen Liebeskummer und Einsamkeit - als offensive Waffe einzusetzen und zum Angriff überzugehen. Angestachelt und beraten von Geist ihres toten Schauspiellehrers, spinnt sie ein Netz aus Intrigen und Boshaftigkeiten, dem kein Mann entgehen wird.
Regisseur István Szabó, der schon 1991 mit Im Zeichen der Venus ein Talent für den Umgang mit Diven bewies, inszeniert mit sicherer Hand und einem guten Auge für die kleinen Details des Theaterlebens. Dreh und Angelpunkt des Films ist jedoch Annette Bening, die in ihrer oscarnominierten Performance alle Register zieht und es uns durch ihre gespielte Kühle und spürbare Verletzlichkeit in der ersten Hälfte des Films möglich macht, ihrem späteren Rachefeldzug schadenfroh zuzusehen; ihr unausweichlicher Triumph ist sicherlich eines der bösesten und wahrscheinlich deshalb auch eines der schönsten Happy Ends der letzten Jahre.

Karsten Kastelan
USA 2004. R: István Szabó. D:Annette Bening, Jeremy Irons, Shaun Evans, Bruce Greenwood, Michael Gambon