BENT


Steine schleppen

Liebe unter Nazis - im Moment groß im Kommen

Wurde der Holocaust schon aus verschiedensten Perspektiven filmisch bearbeitet, die Ermordung von über 100.000 Homosexuellen in den Konzentrationslagern blieb im Film bisher weitgehend unbeachtet. Der britische Regisseur Sean Mathias hat nun das erfolgreiche Theaterstück "Bent" von Martin Sherman für die Leinwand adaptiert, und als Export-Produkt kommt nun ein weiteres Stück Vergangenheitsbewältigung in die deutschen Kinos. Die Ermordung des SA-Führers Ernst Röhm 1934 durch die SS war das Signal für die Hatz auf Homosexuelle im Dritten Reich. Bent beginnt in dieser "Nacht der langen Messer". Max (Clive Owen) und sein Geliebter Rudy (Brian Webber) feiern in "Gretas Club" eine letzte Party. In schwüler Derek-Jarman-Manier beschwört Sean Mathias das lustvolle schwule Nachtleben im Berlin der 30er Jahre. Während Greta (Mick Jagger als Transvestit!) sich mit "Streets of Berlin" von der Szene verabschiedet, vergnügen sich blonde, muskulöse SA-Burschen und die zivilen Teile homosexueller Subkultur ungehemmt miteinander. Auch Max kann dem Charme eines uniformierten Schönlings nicht widerstehen. Im Morgengrauen stürmen SS-Schergen die Wohnung und schneiden dem Bettgefährten die Kehle durch. Max und Rudy gelingt zunächst die Flucht, sie tauchen unter in Wäldern nahe der Grenze, werden jedoch bald aufgestöbert und deportiert. Schon auf dem Weg ins Konzentrationslager verleugnet Max - um das eigene Leben zu retten - die eigene Homosexualität und beteiligt sich an der Ermordung des Geliebten. Er bekommt als Jude den "Gelben Stern" statt des "Rosa Winkels", der in der Lagerhierarchie ganz unten steht. Im Zug lernt er auch den schwulen Mitgefangenen Horst kennen. Im KZ müssen die beiden Tag für Tag Steine von einem Haufen zum anderen schleppen - und wieder zurück. Eine qualvolle Sisyphusarbeit. Ähnlich wie Benignis Das Leben ist schön vermeidet auch Bent jeden Anschein von KZ-Naturalismus. Ist die erste Hälfte des Films von düsteren Tönen und inszenatorischer Völlerei geprägt, erstrahlt die stark stilisierte Lagerkulisse ein klaren Farben und schmerzend hellem Licht. Es beginnt ein fesselndes Kammerspiel, das sich auf die beiden Protagonisten konzentriert: Max und Horst werden trotz harter Zwangsarbeit und dauernder Überwachung ein Liebespaar - ohne sich je berühren zu können. Daß Liebe stärker ist als die Barbarei, ist allerdings auch hier - wie bei Benigni - eine Hoffnung, die den Tod mit einschließt.

Martin Schwickert