BROTHERHOOD

Unter Brüdern

Ein in vielerlei Hinsicht gigantisches Kriegsepos

In Korea scheint alles sehr schnell zu gehen. Jedenfalls ist das nach "Tales of Two Sisters" (Ultimo 12/06) der nächste Film, der uns als "in Korea erfolgreichster Film aller Zeiten" angekündigt wird.
Brotherhood ist ein zweieinhalb stündiges Kriegs-Melodram. Zwei Brüder werden 1950 in Südkorea zwangseingezogen, als der Norden das Land überfällt. Der Ältere begeht ununterbrochen Heldentaten, um den Jüngeren zu beschützen. Man hat ihm versichert: Wenn er erst die Helden-Medaille erhält, darf er seinen kleinen Bruder nach Hause schicken.
Bis es soweit ist, wird der ältere Bruder verroht sein, der jüngere sich deshalb von ihm losgesagt haben. Zwischen äußerst brutalen Kriegszenen, in denen das Blut bis auf die Kameralinse spritzt, verhandelt der Film das Bruder-Drama mit der Kraft einer brecht´schen Parabel und dem Realismus eines Peckinpah-Western.
Das ist zu keiner Sekunde langweilig (der Film hetzt von Szene zu Szene, gönnt sich und uns keine ruhigen Momente), meistens lehrreich und ehrlich (der Süden beging, wie der Norden, Kriegsverbrechen und -gräuel) und niemals überraschend.
Für Koreaner mag das alles an tief verwurzelte Tabus rühren, hier sehen wir nur einen aufwändig gedrehten, exzellent geschnittenen Kriegsfilm, der wie jeder gute Vertreter seines Genres nicht die Peinlichkeit besitzt, sich als "Anti-Kriegsfilm" zu tarnen.
Der Krieg wird als Rückblende erzählt. Ein Archäologenteam gräbt Helme, seltsame Waffen und Knochen mit dem Respekt und der Vorsicht aus, die man Kulturen entgegenbringt, die vor Jahrtausenden im Sand der Geschichte untergingen. Dann sehen wir Seoul im Jahr 1950, kurz vor Kriegsausbruch, glücklich, ländlich, naiv.
Was folgt ist ein blutiges Gemetzel auf dem höchsten Stand der Kino-Technik. Brotherhood enthält Bilder, die bewusst an reale Szenen aus dem 2. Weltkrieg erinnern. Die Massakrierungen sind bisweilen den Nazi abgeguckt.
Die Botschaft ist einfach und zwiespältig: Krieg ist etwas, was den Kleinen Mann davon abhält, glücklich zu sein. Gleichzeitig war dieser Bruder-Krieg für den Süden des Landes der Eintritt in die Moderne. Die toten Helden, die das Archäologen-Team ausgräbt, sind für einen Dreck gestorben. Aber ohne sie würden wir heute nicht leben. Zu den großen Stärken dieses blutigen Melodrams gehört es, diese Widersprüche nicht auflösen zu wollen. Selten hat ein so lauter, brüllender Film ein so leises, beinahe hingehauchtes Ende gehabt wie Brotherhood.

Thomas Friedrich

Taegukgi hwinalrimyeo Korea 2004. R&B: Je-gyu Kang K: Kyung-Pyo Hong D: Dong-Kun Jang, Bin Won Eun-ju Lee