KILL BILL VOLUME 2

Gretchens Rache
Zum schönen Ende: Keine Massaker, sondern Dialoge

Uma Thurman kehrt als Racheengel zurück. Ein paar Rechnungen hat sie noch offen. Aber wer denkt, im zweiten Teil von Tarantinos Samurai-Kung-Fu-Spaghetti-Western ginge es genauso furios brutal zu wie im ersten, der wird auf angenehme Weise enttäuscht. Tarantino schraubt Tempo und Blutzoll rasant herunter, nimmt die Fährten, die im ersten Teil gelegt wurden, in aller Ruhe auf, und vertieft die Figuren, die bisher nur comicartig als Kampfrivalen vorgestellt wurden, zu wirklichen Charakteren. Nicht das Schwert regiert sondern das Wort - jene präzise daher geplapperten Dialoge, wie sie zu Tarantinos Markenzeichen seit Pulp Fiction gehören.
Das Massaker in der Hochzeitskapelle und der Schuss in den Kopf, der die Braut für vier Jahre ins Koma beförderte, wurden bisher nur angedeutet. Wenn der Film nun zu Beginn des zweiten Teils in die Hochzeitskapelle zurückkehrt, erwartet man ein blutiges Gemetzel. Aber als die ersten Schüsse fallen, zieht die Kamera sich zurück in die distanzierte Außendraufsicht. Anstatt des angekündigten Massakers serviert Tarantino die erste filmische Begegnung der Kontrahenten. Lauernd schleichen die schwangere Braut Beatrice und ihr ehemaliger Boss Bill (David Carradine) umeinander. Ein intimer verbaler Zweikampf, der von der Vertrautheit der früheren Geliebten und dem gegenseitigen, professionellen Misstrauen der Killer getragen wird.
Mit David Carradine, der in den 70ern als Serienstar von Kung Fu die asiatische Kampfkunst in die westliche Popkultur importierte, hat Tarantino, nach John Travolta in Pulp Fiction und Pam Grier in Jackie Brown wieder einen vergessenen Altstar neu entdeckt. Mit seiner sonoren Stimme, dem verlebten, ledernen Gesicht und dem charmanten Sonnenblinzelblick entwickelt Carradine ein Leinwandcharisma, das Kollegen wie Denzel Washington oder Al Pacino wie pausbackige Messdiener aussehen lässt.
Carradines Bill ist eine der eindringlichsten Mephisto-Figuren der jüngeren Filmgeschichte. Es gehört viel dazu, Uma Thurman in diesem Film in den Schatten zu stellen, Carradine gelingt es - zumindest punktuell.
Dass die finale Konfrontation vollkommen anders ausfällt, als man es erwartet hat (so dass man zwischendrin sogar zweifelt, ob der Film sein Titelversprechen hält) - genau daraus entstehen die besten Momente von Kill Bill, die diejenigen belohnen, die sich durch die Gewaltszenen quälen mussten. Ein paar Ekligkeiten sind auch in Teil 2 eingestreut. Aber vergleicht man diese Szenen etwa mit Gibsons Sakralsadismus, so ist Tarantinos Umgang mit Gewalt weitaus erträglicher. Denn trotz aller Intensität, die ein Film wie Kill Bill auf der Leinwand entwickelt, verweist Tarantino immer auch auf die künstliche Gemachtheit der Bilder und auf das Spiel mit der Genrekultur. Waren es im ersten Teil eher die japanischen Samurai-Filme, die Tarantino in seinem Eastwestern reanimierte, sind es nun die chinesischen Kung-Fu-Filme und die Italo-Western, die für den zweiten Teil Pate standen. Die chinesische Martial-Arts-Legende Gordon Liu hat in einer Rückblende einen humorvollen Auftritt als weißbärtiger Kampfkunst-Lehrmeister. Das Wüstensetting, in dem Beatrice ihre früheren Kollegen zur Stecke bringt, sowie einige Soundtrack-Schnipsel erinnern an die Italo-Western von Sergio Leone. Aber auch diese Genrespielereien treten in den Hintergrund, wenn die finale Konfrontation zwischen Bill und Beatrice eingeleitet wird. Nicht das formale Spiel, sondern die Liebe zu den Figuren wird im zweiten Teil zur treibenden Kraft und verleiht Kill Bill als Gesamtkunstwerk die notwendige Tiefe.

Martin Schwickert
USA 2003 R&B: Quentin Tarantino K: Robert Richardson D: Uma Thurman, David Carradine, Gordon Liu