THE BIRDCAGE


Hingefummelt

Gene Hackman in Strapsen? Doch doch, das geht

Das Coming Out gleich zu Beginn: ich kenne weder das Pariser Original-Off-Pigalle-Theater-Stück aus den frühen 70ern, noch die berühmte Serrault/Tognazzi-Verfilmung aus den späten, weder das erfolgreiche Broadway-Musical aus den 80ern, noch die vielen Bühnen-Arbeiten des Remake-Regisseurs von den 60ern bis heute. Aber man sieht es auch so: Mike Nichols liebt das Theatralische. Und das Kino. Und an ein paar Stellen in seiner "Käfig voller Narren"-Version sieht man, wie gut Charge und Großaufnahme, Kameratricks und Körperarbeit, Intimität und Pose, Verkleidung und die Haut des Herzens zueinanderpassen. Fast wie im richtigen Leben. Wenn auch mit Schwächen im Abschluß.
Die neue Story ist dabei, dem Vernehmen nach, die alte: mittelalter netter Schwuler (Robin Williams, erstaunlich zurückhaltend) hat aus Jugendsünde in einer Tänzerinnen-Garderobe einen Sohn (Dan Futtermann, Typ Tom Cruise zum Knuddeln). Der will erstens eine Studienkollegin heiraten (unwichtig), und zweitens deren stockkonservative Eltern (gigantisch: Gene Hackman und Dianne Wiest) seinen - mmh - Eltern vorstellen. Was Probleme macht, weil Vaters Lebensgefährte Albert (gut im Fummel, aber besser, wenn das Klamottieren fällt: Nathan Lane) eine bürgerlich unakzeptable Tunte ist - und der Vater der Braut gerade heftige Image-Probleme hat wegen eines tot in einer Nutte aufgefundenen Moral-Senatoren-Kollegen.
Die neuen Konflikte sind, bis auf die Verschärfung der politischen Anspielungen, sagen die Kenner, dieselben. Dafür sind die neuen Anspielungen so amerikanisch (von Dole bis Leno), daß Franzosen sie wohl kaum verstehen werden. Aber wir verstehen, daß es um Fragen der Norm statt der Moral geht, um Anpassungszwänge auch unter Gleichgesinnten - und immer noch nicht um Eingeschlechtlichkeit als soziales Paradies.
Wenn etwa im Zuge einer schmierenhaften Verwechslungs-Komödie die Tunte die bessere Nancy Reagan abgibt und die Frau des Apostels am Ende als Leder-Kerl rauskommt ... dann hat das was. Auch wenn Gene Hackmann als Mae West eher ein Downer als ein Schlußgag ist.
Andererseits ist durchaus fraglich, ob der naturalisierte happy-go-lucky Transvestitismus (im Unterschied zur rebellischen Verruchtheit früher) wirklich das dramatische Potential der Toleranz auslotet - oder ob die ur-amerikanischen Korsagen Frank'n'Furters weiland die größere Herausforderung waren und sind. Außerdem hätte es einem Remake, das nach Auskunft aller Beteiligten nahezu fetischistisch an den Dialogen und Drehwinkeln des Originals hängt, durchaus gut angestanden, seinen Figuren eben die Kenntnis des Originals zuzugestehen. Mindestens für einen Fiktionsbruch-Witz, wie ihn einmal die FX-Abteilung macht, als die Kamera scheinbar in voller Auto-Aufholjagd von hinten durch das Heckfenster einschwebend Senators beim Grübeln beobachtet, ob der Name des Vaters des Bräutigams nicht etwas jüdisch klingt. Was fast so schlimm wie schwarz und vermutlich weit übler als schwul wäre.
Fazit: sowohl "Tunten für Stinos" als auch eine Klamotte am Rande des Satirischen, ebenso ein frecher Abklatsch wie ein Beitrag zur Abweichler-Kultur - moralisch auf dem Niveau besserer Fernseh-Sitcoms, filmisch bisweilen deutlich darüber. Und im Originaltitel nochmal besser als der Käfig des Originals oder das Paradies des deutschen Untertitels: Birds of A Feather - in etwa: Vom gleichen Schlag.

WING