BLACK BOX BRD

Lebensläufe

Der RAF-Mann und der Bänker - eine ungewöhnliche Gegenüberstellung

Obwohl die Rote Armee Fraktion seit den Achtzigern eher eine politische Randgruppenexistenz führte, wurde erst nach ihrer Selbstauflösung im März 1998 eine Draufsicht auf das Phänomen RAF jenseits rechter und linker Denkverbote möglich. Mit seinem Dokumentarfil verschränkt Andres Veiel) die Biografien des von der RAF 1989 ermordeten Bankiers Alfred Herrhausen mit der des Terroristen Wolfgang Grams, der 1993 bei einem Einsatz der GSG-9 durch einen aufgesetzten Schuss in den Hinterkopf starb.
Zwei Todesfälle, die nie restlos aufgeklärt wurden, und ein gewagter Vergleich, der Täter- und Opfer-Kategorien schnell verschwimmen lässt. Während die Vorständler der Deutschen Bank sich um Kopf und Kragen reden, liest der ruhige Kamerablick zwischen den Zeilen verbindet auf durchgehend spannende Weise individuelle Lebensläufe mit bundesrepublikanischer Zeitgeschichte. Veiel interessiert sich für die Brüche und entdeckt ohne versöhnlerische Ambition Parallelen in den Biografien.
Die unerbittliche Konsequenz mit der Grams und Herrhausen ihren Weg beschritten haben, hat viel mit der verbohrten Art zu tun, mit der in der deutschen Geschichte um vermeintliche Ideale gefochten wird. Gegen Ende schaut der Film auf zwei Menschen, die genau aus diesem engen Denkmuster ausbrechen wollten. Grams suchte vergeblich nach einem Weg zurück ins normale Leben, und Herrhausen stieß mit seinen liberalen Entschuldungskonzepten für die Dritte Welt auf erbitterten Widerstand. Dass beide ausgerechnet im Prozess des Umdenkens zum Opfer ihrer politischen Gegner wurden - das ist der bittere Witz von zwei typisch deutschen Lebensläufen.

Martin Schwickert

Black Box BRD R: Andres Veiel K: Jörg Jeshel