BLOOD WORK

Mit dem Herzen

Clint Eastwood läßt es langsam angehen

Nur wenigen Stars gelingt es, sich im Alter würdevoll vor der Kamera zu behaupten. Der Name Clint Eastwood bürgt für diese Qualität. 72 Jahre hat der Hollywoodveteran mittlerweile auf dem Buckel. 44 Hauptrollen und 23 Regiearbeiten zählt seine Filmografie. Eine Legende - und eine, die lebt.
In seinen letzten Filmen hat es Eastwood verstanden, sich die eigenen Rollen altersgerecht auf den Leib zu schreiben. Ob als Reporter der alten Schule in Ein wahres Verbrechen , als Einbrecherkönig im Fast-Ruhestand in Absolute Power oder als Alt-Astronaut in Space Cowboys - souverän spielte er all diese unpensionierbaren Helden und kokettierte dabei augenzwinkernd mit den Rissen im eigenen Draufgängerimage.
Immer noch geht ein Raunen durchs Publikum, wenn sich Eastwoods nackter Oberkörper für wenige Augenblicke ins Bild schiebt. Als er in seinem neuen Film Blood Work beim Arztbesuch das Hemd abstreift, kommt auf der vertraut behaarten Brust eine riesige Narbe zum Vorschein.
Vor zwei Jahren ist FBI-Agent Terry McCaleb bei der Verfolgung eines Serienkillers von einem Herzinfarkt niedergestreckt worden. Danach musste der angesehene Spezialist für die Erstellung von Täterprofilen in den Ruhestand gehen. Unter der Narbe schlägt nun seit zwei Monaten ein neues Herz. Notgedrungen lässt McCaleb das Rentnerleben ruhig angehen, schluckt die verschriebenen Pillen und verfolgt weisungsgemäß seine Fieberkurve. Als Graciella Rivers (Wanda De Jesus) eines Tages auf Deck seines Hausbootes steht und ihn bittet, sie bei der Aufklärung des Mordes an ihrer Schwester zu unterstützen, winkt McCaleb nur müde ab. Aber es gibt einen triftigen Grund, warum der ausrangierte Cop ihr die Hilfe nicht verweigern kann: das Herz der Ermordeten hat ihm das Leben gerettet.
Die körperliche Verbindung mit dem Bösen wird für McCaleb zur moralischen Verpflichtung. Zunächst sieht alles nach einem ganz normalen amerikanischen Raubüberfall aus. Die Videoaufzeichnung zeigt den vermummten Täter, der die Kasse plündert und Graciellas Schwester als mögliche Zeugin erschießt. Nur schemenhaft ist der brutale Tat auf dem Monitor zu erkennen, denn entgegen seines Titels verzichtet Blood Work auf blutige Detailaufnahmen.
Schnell stößt der erfahrene Ermittler auf Ungereimtheiten im vermeintlichen Routinefall. Die Spur führt zu einem Serienmörder und immer wieder zu dem fremden Herzen, das McCaleb in sich trägt.
Wie fast jeder neuzeitliche Thriller konstruiert auch Blood Work ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Jäger und Gejagten. Aber im Herzen bleibt Eastwoods Film der alten Schule verpflichtet. Die moralischen Grenzen zwischen Gut und Böse bleiben unangetastet, dem Gang der Ermittlungen wird mehr Aufmerksamkeit geschenkt als der Aneinanderreihung spektakulärer Effekte.
Mit dem schwer atmenden Terry McCaleb entwirft Eastwood einen Helden am Ende seiner Kräfte. Dass er dabei die alte Eleganz in den Bewegungen bewahrt und seine Figur stets vom Schatten ihrer ruhmreichen Vergangenheit begleitet wird - darin zeigt sich die subtile schauspielerische Qualität des Meisters.
Auch wenn so manche Plotwendung nicht ganz so überraschend daherkommt, wie sie gerne möchte, überzeugt Blood Work in einem Genre, das sich immer mehr an der Geschwindigkeit berauscht, vor allem durch sein gelassenes Erzähltempo. Nur einmal übertreibt es Eastwood: wenn der die junge, schöne Gabriella zum herzkranken Helden ins Bett schickt - als ob irgendjemand an der Unsterblichkeit seines Sexappeals gezweifelt hätte.

Martin Schwickert

USA 2002 R: Clint Eastwood B: Brian Helgeland nach einem Roman von Michael Connelly K: Tom Stern D: Clint Eastwood, Jeff Daniels, Anjelica Huston, Wanda De Jesus