BOBBY

Das Ende

Mit der Ermordung Bobby Kennedys endete 1968 der Traum von einem anderen, liberalen Amerika. Emilio Estevez, Sohn des Hollywood-Linken Martin Sheen, drehte mit »Bobby« einen Epsiodenfilm über den Tag, an dem der Justizminister und Präsidentschaftskandidat Bobby Kennedy starb

Die Serie politischer Morde in den 60ern begann am 22.November 1963 mit den Schüssen auf John F.Kennedy. Am 21.Februar 1965 wurde der militante schwarze Bürgerrechtler Malcolm X ermordet. Am 4.April 1968 wurde Martin Luther King in Memphis erschossen und nur zwei Monate später der aufstrebende demokratische Präsidentschaftskandidat Robert F. Kennedy.
Mit der Ermordung von Bobby Kennedy wurden auch die letzten Hoffnungen der Liberalen auf ein "anderes" Amerika liquidiert. Emilio Estevez reist in seinem Episodenfilm Bobby zurück zum 6.Juni 1968 ins Ambassador Hotel von Los Angeles, in dem kurz nach Mitternacht die Schüsse fielen. Estevez nutzt das Hotel-Motiv, um mehr als ein Dutzend gleichberechtigte Hauptfiguren durch den Film zu führen und in konzentrierter Form ein Mosaik der amerikanischen Spät-Sechziger-Gesellschaft zu entwerfen.
Während sich unten im Keller die mexikanischen Küchenarbeiter mit ihrem rassistischen Chef (Christian Slater) auseinandersetzen, der Hotel-Manager (William H. Macy) seine Frau (Sharon Stone) mit der Telefonistin (Heather Graham) betrügt, ein gutmütige Studentin (Lindsay Lohan) einen Schulfreund (Elijah Wood) heiratet, um dessen Einberufung nach Vietnam zu verhindern, eine Lounge-Sängerin (Demi Moore) sich dem Alkoholismus ergibt, läuft im Hauptquartier, das die Demokraten im Hotel aufgeschlagen haben, der Wahlkampf auf Hochtouren. Am Morgen schwärmen die Helfer aus, um von Haus zu Haus für den Kandidaten zu werben, der für viele die Hoffnung auf ein neues, anderes Amerika verkörpert.
Dokumentaraufnahmen von Robert F. Kennedy werden eingeblendet, und in der Tat zeigen die Bilder einen Politiker, der eine Integrität ausstrahlt, wie man sie in diesem Gewerbe nur selten antrifft. Kennedys Kommentare zum Vietnamkrieg oder zur sozialen Lage der Unterschicht lassen sich 1:1 in die heutige politische Landschaft einpassen.
Mit Melancholie schaut Estevez auf die Hoffnungen und Sehnsüchte jener Jahre. Die hochkarätige Besetzung sorgt mit kurzen, prägnanten Auftritten dafür, dass man das Interesse an der nicht allzu eleganten, mehrsträngigen Erzählweise nicht verliert. Vor allem Demi Moore liefert eine erstklassige Performance als herrschsüchtige, versoffene Showdiva ab, die den Verlust aller Hoffnungen schon einmal vorlebt.

Martin Schwickert

USA 2006 R: Emilio Estevez K: Michael Barrett D: Harry Belafonte, Laurence Fishburne, Heather Graham, Anthony Hopkins, Helen Hunt, William H. Macy, Demi Moore, Martin Sheen, Christian Slater, Sharon Stone, Elijah Wood, 120 Min.