BOLLYWOOD/HOLLYWOOD

Pretty Woman

Inder in Kanada mit amerikanischem Witz

Zumindest im Kino verschmilzt die Welt langsam zum viel zitierten "global village". Bei der Eroberung von Weltmarktanteilen setzt Hollywood längst nicht mehr nur auf plumpe Kapitulationsstrategien. In den 90er Jahren öffnete sich das schwerfällige US-Action-Kino den Einflüssen des Hongkong-Films. Kassenerfolge wie Matrix wären ohne die stilistische Unterstützung aus Fernost heute nicht denkbar. Jetzt weitet sich der westliche Blick langsam für das indische Kino, das mit einem jährlichen Output von bis zu 500 Filmen zu den produktivsten Filmindustrien der Welt gehört.
Bollywood/Hollywood heißt fast schon programmatisch ein Film von Deepa Mehta, der die beiden Filmkulturen miteinander in Reibung bringen will. Im kanadischen Toronto ist der erfolgreiche Internet-Millionär Rahul (Rahul Khanna) mit der Popsängerin Kimberly (Jessica Paré) liiert. Für seine Familie ist das nicht-indische Schlagersternchen jedoch als Verlobte vollkommen inakzeptabel. Als Kimberly (un-)glücklicherweise bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommt, nutzt die Mutter (Moushumi Chatterjee) die Gelegenheit, ihren Sohn unter Druck zu setzen: erst wenn Rahul eine ordentliche indische Verlobte vorzuweisen hat, darf die schwer verliebte, schwangere Schwester (Rishma Malik) heiraten. In einer Bar trifft der frustrierte Junggeselle auf Sue (Lisa Ray), die für eine Begleitagentur arbeitet. Rahul heuert sie als Scheinverlobte an, und die vermeintliche Spanierin spielt die indische Schwiegertochter mit verdächtiger Überzeugungskraft.
In ihrem Melodrama Fire implantierte Regisseurin Deepa Mehta eine lesbische Liebesgeschichte in den engen indischen Moralkontext, was in ihrem Heimatland zu Aufständen im Kinosaal führte. Mit Bollywood/Hollywood geht Mehta nun den umgekehrten Weg, transferiert einen klassischen Bollywood-Plot ins multikulturelle Toronto und vermischt ihn mit den Klischees des amerikanischen Mainstreamkinos. Filme wie Pretty Women standen für die Cinderella-Liebesgeschichte Pate, die Komödienstruktur wurde von den klassischen Screwball-Comedies der 40er Jahre ausgeliehen. Aber obwohl die Zutaten im Reagenzglas stimmen, will das Experiment nicht so recht gelingen.
Schuld daran sind vor allem inszenatorische Schwächen. Der Liebesgeschichte fehlt es trotz der beiden äußerst attraktiven Hauptdarsteller deutlich an Feuer. Aus der Ansammlung durchaus treffsicherer Pointen entsteht keine komödiantische Dynamik. Die Musical-Einlagen entwickeln zwar ihren eigenen Charme, aber letztendlich fehlte es wohl an Geld und Mut, die farbenprächtige Bollywood-Ästhetik gewinnbringend einzusetzen.
Aus dem Aufeinanderprallen ost-westlicher Unterhaltungskulturen hätte man einen schrillen Gladiatorenkampf der Stereotypen entfachen können. Aber Deepa Mehta belässt es bei einer unterhaltsamen Multi-Kulti-Komödie, die ihre subversiven Ansprüche nicht einlösen kann.

Martin Schwickert

Kan. 2002 R&B:Deepa Mehta K: Douglas Koch D: Rahul Khanna, Lisa Ray, Moushumi Chatterjee, Dina Pathak