BOTTLED LIFE - NESTLÉS GESCHÄFT MIT DEM WASSER

Ein Schluck Schrecken

Eine Dokumentation über Flaschenwasser, Raubbau und Menschenrechte

Die Tankwagen sind grün und fahren mit Bio-Diesel. Und sie schleppen tagein tagaus kostenloses Grundwasser aus amerikanischen Naturschutzgebieten. Aus einer Fuhre generiert Nestlé einen Umsatz von 50.000 Dollar, indem der Konzern es auf Plastikflaschen zieht, ein Etikett drauf klebt und es Amerikanern verkauft, die genau dasselbe aus ihren Hähnen kriegen.

In Nigeria sind die Lastwagen blau, fahren mit normalem Diesel und verkaufen "Pure Life", eine Mischung aus Grundwasser und einer Handvoll Mineralien, an die örtlichen Besserverdienenden, etwa doppelt so teuer wie Benzin. Immerhin ist da das öffentliche Leitungssystem so marode, dass sauberes Wasser in Flaschen beinahe sinnvoll erscheint.

Diese und andere Seltsamkeiten im globalen Trinkwasser-Geschäft findet in der Dokumentation Bottled Life der Schweizer Journalist Res Gehriger, der ständig gedankenvoll auf seinem Laptop tippend in den Bildern auftaucht, zwar nicht als erster heraus. Aber nach den eher kämpferischen Dokus Abgefüllt oder Flow kommt Bottled Life geradezu unaufgeregt daher, sieht am Anfang sanft hinterlistig sogar fast aus wie ein Werbe-Feature über Nestlé, die Firma, die ein cleverer Apotheker einst gründete, indem er seinen Nachbarn Quellrechte abkaufte, das erste Schweizer Sprudelwasser produzierte und den Rest großzügig verschenkte. Bis nichts zum Verschenken blieb und neue Quellen weltweit dazugekauft werden mussten.

Auch der Verwaltungsratschef der mittlerweile global agierenden Firma klingt gar nicht wie das skrupellose Raubtier, als dass andere Kritiker den Konzern gern darstellen. Er hält manchmal sogar den Zugang zu sauberem Wasser für ein Menschenrecht und fordert vehement mehr Investitionen in die öffentliche Wasserversorgung. Und tadelt Regierungen, die ihre Kanalisation verrotten lassen. Dass er aber ein Projekt lobt, in dem Nestlé ein Flüchtlingslager mit Wasser versorgt, selbst Jahre nachdem die Konzernfinanzierung ausgelaufen ist und die Pumpen kaputt gingen, reißt ein dickes Loch ins Image. Zumal die PR-Abteilung den Filmemachern jedes Interview verweigerte und offenbar deren Recherchen blockierte.

Ein Glück für den auf Ausgewogenheit setzenden Ton der Doku, die überall auch Leute zu Wort kommen lässt, denen Nestlé als Steuerzahler oder Arbeitgeber, Firmen-Vorbild oder Sponsor des örtlichen Sportclubs ganz angenehm ist. Etwas Schärfe bringt nur die Aktivistin Maude Barlow hinein. Die ehemalige UN-Beraterin für Wasserfragen und Trägerin des alternativen Nobelpreises findet die Firma beinahe kriminell.

Hätte der Konzern mit den Dokumentaristen geredet, die Wasser als Allgemeingut eine ebenso interessante Idee finden wie jene, Wasserverschwendung durch Preisgestaltung zu verhindern! Und hätte er ihnen nicht angeboten, statt unbequeme Fragen zu stellen, lieber einen Film für die Firma zu machen, Bottled Life wäre wohl weniger aufregend geworden. So bleibt ein resignierter aber wütender Farmer in Maine, der eine Pumpstation vor die Haustür kriegt und nur noch einen Ausweg sieht: Von der Firma, die von Pizza bis Schokolade fast alle Lebensmittel herstellt, nichts mehr zu kaufen. "Auch wenn wir dann hungern".

Nestlé sieht das alles ganz anders und reagierte mit einer ausführlichen Gegenrede auf der Firmen-Website. Die Filmemacher kriegten trotzdem gerade den Herbert-Quandt-Preis für Wirtschaftsjournalismus.

Wing

R: Urs Schnell B: Res Gehriger, Urs Schnell K: Laurent Stoop D: Res Gehriger, Maude Barlow