DIE GOLDENE SCHALE

Zu ruhige Hand

Ivory verfilmt Henry James

In Die goldene Schale (1904) entwirft Henry James ein Beziehungsquadrat, dessen Kreuz- und Querverbindungen in ein kunstvoll verschlungenes moralisches Dilemma führen.
Zu Beginn des 20.Jahrhunderts reist der amerikanische Milliardär Adam Verver (Nick Nolte) mit seiner Tochter Maggie (Kate Beckinsale) durch Europa, um Kunstschätze für ein Museum aufzukaufen. Einen Bräutigam für die Tochter besorgt der reiche Industriemagnat gleich mit. Der italienische Fürst Amerigo (Jeremy Northam) gehört zum verarmten europäischen Adel und hofft mit der Geldheirat den heruntergekommenen Familienbesitz zu retten. Von seiner mittellosen Geliebten Charlotte (Uma Thurman) trennt sich Amerigo in schmerzhaft-unvollständigem Einvernehmen. Charlotte ist Maggies beste Freundin. Von der vorehelichen Liaison ahnt die naive Milliardärstochter nichts. Um Amerigo weiter nahe bleiben zu können, gibt Charlotte den höflichen Avancen von Maggies Vater nach - und wird damit nicht nur zur Stiefmutter ihrer Freundin, sondern auch zur Schwiegermutter ihres Ex-Geliebten. Zwei Vernunftehen so dicht nebeneinander greifen zwangsläufig nach einander. Das innige Verhältnis zwischen Vater und Tochter hat ohnehin platonisch inzestuösen Charakter, in der familiären Enge flammt auch die Liebe zwischen Amerigo und Charlotte erneut auf.
Mit allzu ruhiger Hand setzt James Ivory dieses fatale Liebesquartett in Szene. Ivory, der sich mit opulenten Literaturverfilmungen wie Wiedersehen in Howards End und Was vom Tage übrig blieb einen Namen gemacht hat, schwelgt hier nicht in groß angelegten Landschaftspanoramen, sondern bevorzugt die halbnahen Perspektiven auf seine Figuren. Trotz des exzellenten Ensembles wirken die Emotionen der Figuren zu sehr abgepuffert, als wäre der filmische Raum mit Teppichen abgehangen, die alle Gefühle verschlucken. Offensichtlich ist es Ivory und seiner langjährigen Drehbuchautorin Ruth Prawer Jhabvala nicht gelungen, die inneren Monologe der literarischen Vorlage adäquat ins gesprochene Wort zu übersetzen. Nick Nolte tut sein Bestes, um im Kontrast zur alteuropäischen Dekadenz die naive Lebensweisheit des neuen amerikanischen Geldadels mit sensiblen Understatement vorzutragen.
Auch Uma Thurman gelingt es, als verzweifelte Liebeskämpferin endlich aus ihrem statuarischen Kostümfilm-Image herauszubrechen. Dass man mit ihren Figuren trotzdem nicht warm wird, liegt an der kühlen, fast schon gleichgültigen Distanz der Kamera, die sich mehr um das Interieur als um das Wohl der Menschen sorgt.

Martin Schwickert

The Golden Bowl USA/F/GB 2000 R: James Ivory B: Ruth Prawer Jhabvala K: John David Allen D: Nick Nolte, Uma Thurman, Jeremy Northam, Kate Beckinsale