BROKEN FLOWERS

Tourist in der eigenen Psyche
Bill Murray sucht eine Mutter

Bill Murrays Transformation vom lauten Hollywood-Komiker hin zum subtilen Schauspieler in Independentfilmen ist keine Neuigkeit mehr, was uns allerdings nicht davon abhalten sollte, sie weiterhin staunend zu bewundern. Der Bill Murray in Lost in Translation, Rushmore und Coffee and Cigarettes ist immer noch sehr klar Bill Murray - es ist nur weitaus faszinierender geworden, dem ehemaligen Chaoten aus Ghostbusters und Caddyshack beim Nichtstun zuzusehen. Ohne etwas zu sagen oder auch nur sichtbar eine Augenbraue zu heben, kann Murray inzwischen komplexe Gefühle ausdrücken, Verlorenheit zeigen oder, wie uns Jim Jarmuschs Broken Flowers zeigt, suggerieren, dass wir es hier mit jemandem zu tun haben, der schon seit langem lieber beobachtet, als selbst Teil seiner eigenen Geschichte zu werden.
Murrays Don Johnston mag vielleicht einmal ein Frauenheld und Casanova gewesen sein und scheint dieses Talent auch nicht ganz verloren zu haben, schließlich wird die Freundin, die in der ersten Szene des Films verlässt, von Julie Delpy gespielt. Sein Leben bewegt sich aber offensichtlich schon seit langem in sehr geregelten Bahnen. Selbst der auf rosafarbenem Papier geschriebene Brief in seiner Post, in dem ihm eine alte Flamme suggeriert, dass die beiden einen 19jährigen Sohn haben und dieser ihn möglicherweise aufsuchen wird, bringt ihn nicht aus der Ruhe. Warum auch? Der Brief ist nicht unterzeichnet und der Sohn kennt seine genaue Adresse nicht. Was soll Don also schon tun?
Sein Nachbar Winston, ein Familienvater und Hobbydetektiv, sieht dies allerdings anders und schickt den widerwilligen Don auf eine Odyssee zu den fünf Frauen, die theoretisch die Mutter seines Sohnes sein könnten. Und so kommt es dann, dass Don seine Vergangenheit besucht, nicht als Nostalgiker, sondern mehr wie ein interessierter Tourist in die eigene Psyche.
Regisseur Jim Jarmusch, schon immer ein Liebhaber von wenigen Worten, langen Einstellungen und einer äußerst sparsamen Handlung hat mit Broken Flowers ein stilles Meisterwerk geschaffen, das von all seinen Filmen sicherlich einem Mainstreampublikum am zugänglichsten ist. Jarmusch schafft hier die Stimmung und Ruhe, in der sich diese ungewöhnliche Geschichte entfalten kann, während Murray mit äußerster Subtilität all die Emotion liefert, die Jarmuschs Filmen normalerweise fehlt. Die kleinen Anekdoten (mit weiblichen Stars wie Sharon Stone, Jessica Lange und Tilda Swinton), die Don durchlebt, drehen sich kaum darum, wer denn nun die Mutter seines Sohns sein könnte, sondern werden mehr und mehr zu einer Reise, die wieder an ihrem Ursprungsort enden muss, und bei der sich der Weg tatsächlich als das Ziel entpuppt.

Karsten Kastelan
USA 2005. R&B: Jim Jarmusch. D: Bill Murray, Jeffrey Wright, Sharon Stone, Frances Conroy, Jessica Lange, Tilda Swinton, Julie Delpy, Alexis Dziena.