BROKEBACK MOUNTAIN

Verbotene Liebe

Ang Lee kreuzt das »Hochzeitsbankett« mit dem Neo-Western »Ride with the Devil« - und macht daraus einen Film über schwule Cowboys.

Cowboys sind nicht schwul. Niemals. Das ist die unansgesprochene Voraussetzung aller Western und die Selbst-Lüge eines ganzen Genres. Denn Liebe zwischen Kerlen, die für die denkbar knackigsten Männertugenden (oder, je nach Standtpunkt: Machoallüren) stehen, ist tabu.
Brokeback Mountain bricht dieses Tabu. Im Mittelpunkt von Ang Lees Liebesgeschichte stehen zwei Cowboys, die eher zufällig die Liebe füreinander entdecken. Ennis Del Mar (Heath Ledger) und Jack Twist (Jake Gyllenhaal) begegnen sich zum ersten Mal, als sie für den Rancher Joe Aguirre (Randy Quaid) eine Herde Schafe auf den Brokeback Mountain treiben sollen. Ihre dort entstehende Liebe bleibt unausgesprochen und hätte viellleicht keine Rolle gespielt, wäre es nicht in einer kalten Nacht zu rohem, aber leidenschaftlichen Sex zwischen den beiden gekommen. Nachdem der Sommer vorbei ist, gehen beide ihrer Wege: der wortkarge Ennis heiratet seine Jugendliebe Alma (Michelle Williams), während Tausendsassa Jack die Rodeokönigin Lureen (Anne Hathaway) abschleppt.
Was oben auf dem Berg zwischen ihnen begonnen hat, können beide nicht vergessen. Über die Jahre folgen zahlreiche Angelausflüge, von denen die beiden Freunde nie auch nur einen Fisch mitbringen... Ihre Frauen schließen bewußt die Augen vor dem, was sie sich sowieso nicht vorstellen könnten. Ein Zusammenleben jenseits dieser kurzen Trips scheint unmöglich: zwar träumt Jack davon, dass sie sich zusammen eine Ranch kaufen könnten. Ennis aber hat als Kind mit angesehen, was mit zwei Männern geschah, die genau dies versucht haben: sie wurden zu Tode geprügelt.
Brokeback Mountain wird als Film über schwule Cowboys gehandelt. Aber wenn die beiden Charaktere die Stätte ihrer ersten sexuellen Begegnung verlassen haben und versuchen müssen, die Liebe, die sie für einander empfinden, zu unterdrücken und in der wirklichen Welt klarzukommen, wird er zum tragischen Drama über zwei Menschen, die ohne einander nicht sein können, jedoch nicht miteinander leben dürfen.
Regisseur Ang Lee verfolgt diese Geschichte über einen Zeitraum von 20 Jahren und macht daraus einen Film, der herzzerreißend, traurig und romantisch ist. Lee, der unter anderem mit Sinn und Sinnlichkeit und Der Eissturm bewiesen hat, wie sehr er sich in menschliche Dramen einfühlen kann, hat das ungewohnte Thema sensibel, aber nicht weinerlich behandelt und zu einem Meisterwerk verarbeitet.
In den USA kam es zu den erwarteten Stürmen der Entrüstung. Dass Lees Film sich dennoch durchsetzen konnte, spricht für seine Qualitäten - und für das zunehmende Selbstbewußtsein des liberalen Hollywood.

Karsten Kastelan/thf

USA 2005 R: Ang Lee. B: Larry McMurtry, Diana Ossana. K: Rodriego Prieto. D: Jake Gyllenhaal, Heath Ledger, Michelle Williams, Anne Hathaway, Randy Quaid, Linda Cardellini