DIE BUDDENBROOKS

Deutscher Ernst

Kommt ein Mann ins Kino...

Wer Thomas Mann verfilmen will, muss eines können: Kürzen. Das gilt besonders für die 768 Seiten starken Buddenbrooks , mit dem Mann 1901 die Bühne der Literatur betrat und für den er 1929 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.

Über vier Generationen hinweg schildert der Roman den Verfall einer Lübecker Kaufmannsfamilie im 19.Jahrhundert an der Schwelle zur industriellen Revolution. Bereits dreimal wurde der Stoff verfilmt.

Nun sah Heinrich Breloer, der mit dem historischen Doku-Drama Die Manns bereits einschlägige Erfahrungen vorzuweisen hat, die Zeit gekommen für eine Neuauflage. Die Verfallsgeschichte der Buddenbrooks, so argumentiert der Filmemacher, passe gut in unsere Zeit, die durch die Globalisierung ähnlich rasanten Veränderungen ausgesetzt sei.

Dennoch versucht sich Breloer nicht an einer krampfhaften Aktualisierung des Stoffes, sondern vertraut auf dessen allegorischen Eigenwert. Selbstbewusst, aber keineswegs pietätlos hat er den Jahrhundertroman auf 150 Kinominuten eingedampft. Manns geniale Exposition am Festmahlstisch der renommierten Kaufmannsfamilie wird einfach übersprungen und die Kindheit der Hauptfiguren Tony, Thomas und Christian Buddenbrook in wenigen Minuten abgehandelt.

Armin Mueller-Stahl spielt den Familienpatriarchen Jean Buddenbrook, der mit protestantischer Strenge das geschäftliche Erbe der Firma verwaltet, den ältesten Sohn Thomas (Mark Waschke) zum Thronfolger heranzieht, den ausschweifenden Lebenswandel des jüngeren Christians (August Diehl) in Zaum zu halten versucht und Tochter Tony (Jessica Schwarz) in eine unglückliche Ehe mit dem vermeintlich wohl situierten Hamburger Geschäftsmann Grünlich (Justus von Dohnányi) hineintreibt.

Mit viel Ironie und Anteilnahme beschrieben, ist Tony sicherlich eine der schillerndsten Figuren des Romans und gleichzeitig diejenige, die Breloer am deutlichsten modifiziert hat. Von der Naivität und der enervierenden Selbstbezogenheit der Kaufmannstochter ist wenig übrig geblieben. Tony reift in dieser Filmversion zu einer selbstbewussten Frau, die ihre Jugendliebe widerstrebend der Familienräson opfert, aus zwei gescheiterten Ehen gestärkt hervorgeht und zum emotionalen Rückgrat des untergehenden Clans wird. Mit dieser Modernisierung der zentralen Frauenfigur, die Jessica Schwarz souverän ausfüllt, werden allerdings auch ihre tragischen und komischen Seiten deutlich beschnitten.

Ohnehin ist von der Lust an der beißenden Ironie, mit der Mann auf die kaufmännische Gesellschaft blickt, bei Breloer kaum noch etwas zu spüren. Er setzt voll und ganz auf das Drama, in dem sich der geschäftliche Untergang unablässig mit den privaten und emotionalen Verlustgeschäften verbindet.

Martin Schwickert

D 2008 R: Heinrich Breloer B: Heinrich Breloer, Horst Königstein K: Gernot Roll D: Armin Mueller-Stahl, Jessica Schwarz, August Diehl