Die Bücherdiebin

Die Bibliothek des Todes

Eine Kindheit in Nazideutschland: Die Bestsellerverfilmung funktiomniert vor allem wegen Emily Watson und Geoffrey Rush

Die Kindheitserzählungen seiner deutschen Mutter über die Luftangriffe auf München und die Judenverfolgung waren es, die den australischen Autor Markus Zusak zu seinem Roman über eine Kindheit im Dritten Reich inspirierten. Sagenhafte 230 Wochen hielt sich Die Bücherdiebin in der Bestsellerliste der New York Times. Ein Grund für den Erfolg dürfte Zusaks genialer und gewagter Kunstgriff gewesen sein, die Geschichte aus der Perspektive des Todes in teils sarkastischem Ton erzählen zu lassen.

Es ist die neunjährige Liesel Memminger, die die Aufmerksamkeit des Todes erregt. Sie und ihr jüngerer Bruder sind 1938 auf dem Weg nach Süddeutschland zu ihren Ersatzeltern. Der Bruder stirbt unterwegs. Bei seiner Beerdigung findet Liesel, die noch nicht lesen kann, ein Buch auf dem Friedhof und nimmt es mit. Mit ihren Ersatzeltern Hans und Rosa Hubermann hat sie Glück, auch wenn Rosa auf das Mädchen zunächst wie ein beständig grollendes Gewitter wirkt. Mit dem Nachbarsjungen Rudi, der für den schwarzen Sportler Jesse Owens schwärmt, freundet Liesel sich bald an. Zusammen mit Hans lernt Liesel anhand des Buches lesen, das sich als Handbuch für Totengräber herausstellt, und entdeckt ihre Liebe zu Büchern und Worten. Das geht so weit, dass sie heimlich ein Buch bei einer Bücherverbrennung rettet oder sich welche aus der umfangreichen Bibliothek des Bürgermeisters "ausleiht". Eines Nachts klopft der Jude Max an die Tür der Hubermanns. Hans diente mit dessen Vater im 1. Weltkrieg und schuldet ihm sein Leben. Dies und sein menschlicher Anstand gebieten es Hans trotz aller Gefahr, Max zu helfen und im Keller zu verstecken.

Gegenüber der Romanvorlage wurde die Rolle des Todes zurückgenommen und der sarkastische Ton etwas abgemildert. Die Bücherdiebin bleibt aber eine ungewöhnliche, berührende Geschichte. Nicht die große Weltgeschichte wird erzählt. Hier geht es um normale Leute in einer immer anormaler werdenden Zeit. Einer Zeit, in der Anstand und Menschlichkeit gefährliche Tugenden sind und das Retten eines Buches ein Akt von Widerstand sein kann. Ausgerechnet der Tod als Erzähler gibt der Geschichte, die fast zwangsläufig eine gewisse Tragik aufweist, Trost und Hoffnung. Das Sterben ist nicht das Ende, sondern der Übergang in eine neue Daseinsform.

Der in Babelsberg entstandene Film ist ruhig und einfühlsam inszeniert und weist einen Blick für Details auf. Dass er das beherrscht, hat Regisseur Brian Percival schon bei der hochgelobten Serie Downton Abbey bewiesen. Es gibt eine Vielzahl von starken Bildern und Szenen.

Geoffrey Rush und Emiliy Watson spielen großartig, doch es ist besonders die jungen Kanadierin Sophie Nélisse, die mit ihrer großen schauspielerischen Bandbreite beeindruckt. Man sollte den Film in der Originalversion sehen, denn darin kann man die englischsprachigen Darsteller mit deutschem Akzent sprechen hören.

Olaf Kieser

The Book Thief D/USA 2013 R: Brian Percival B: Markus Zusak, Michael Petroni K: Florian Ballhaus D: Sophie Nélisse, Geoffrey Rush, Emily Watson, Roger Allam, Nico Liersch, Ben Schnetzer. 131 Min.