FALL 39

Kind im Ofen

Horrormechanismen im Leerlauf: Ein Thriller mit Renée Zellweger

Wenn nach 20 Minuten schon der Showdown kommt, stimmt etwas mit dem Film nicht. Oder seiner Hauptperson. Die heißt Lilith, ist 10 Jahre alt, wird von Jodelle Ferland schön zurückhaltend gespielt, und hat noch vor der Anfangs-Titelei ganz offensichtlich Angst vor ihren Eltern.

Ein paar Szenen später besucht die völlig überforderte Sozialarbeiterin Emily (Renée Zellweger) das Problemkind, weil dem zuständigen Amt Verhaltensauffällgkeiten zu Ohren kamen. Erstmal sind aber nur die Eltern seltsam. Die Mutter wirkt verstört, der Vater redet gar nicht mit Fremden. Huh.

Das reicht noch nicht für einen Jugendamtszugriff, aber kaum kriegt Emily einen Hilfe-Anruf von Lilith, fällt sie panisch in die Familie ein und rettet das süße Mädchen davor, von ihren verhaltensgestörten Eltern im Backofen entsorgt zu werden. Doppel-Huh.

Natürlich glaubt das keiner außerhalb des Films, weil das Entsetzen, einen strampelnden Teenager in einen Gasherd zu schieben, zu früh und zu unvermittelt kommt. Und für den deutschen Regisseur wohl auch zu kurz. Im Ansatz nämlich durchaus lustvoll hitchcockend, inszeniert er die Mühe der Eltern mit dem Mädchen. Geradezu erschöpft jedoch hampelt er schon Minuten später die gerettete Lilith als Pflegekind zu Emily hinüber und lässt den Zuschauer lange warten, bis die wirkliche Überraschung ausbleibt: Lilith ist die Böse.

Bis dahin hantiert der Regisseur Christian Alvart handwerklich versiert mit knarzenden Treppen und plötzlich bellenden Hunden. Er kriegt es sogar hin, dem netten Freund von Emily nach einer Stunde halbwegs gruselig eine Wespe ins Ohr und andere Körperöffnungen zu praktizieren, als Sinnbild der teuflischen Fähigkeiten des Pflegekindes mit dem biblischen Warn-Namen.

Aber es sieht doch alles danach aus, als müsse da jemand große Sprünge zwischen wenigen Trittsteinen im Plot hinter sich bringen.

Dem Film ging es ähnlich. Seit zwei Jahren hüpft er von einem Starttermin zum nächsten. Möglicherweise, weil der Sub-Plot "Adoption schleppt Übel ein" nicht recht in die Zeit passt.

Nach einer Stunde jedenfalls ahnt Emily endlich, was jeder Zuschauer schon weiß. Trotzdem kann man am Rest des Films noch Freude haben, wenn man sich damit abfindet, dass das Grauen nicht vom Jugendamt, sondern seiner Klientel kommt.

Wing

Case 39. USA 2008. R: Christian Alvarts B: Ray Wright K: Hagen Bogdanski D: Renée Zellweger, Jodelle Ferland, Ian McShane