CELEBRITY


Reich & schön

Kenneth Branagh spielt Woody Allen

Wer hätte gedacht, daß ein anderer als Woody Allen in einem Woody-Allen-Film Woody Allen spielen könnte? Kenneth Branagh ist für seine Vielseitigkeit bekannt, und in Celebrity spielt er einen dieser lebensuntüchtigen Schlawinertypen, die Allen üblicherweise selbst verkörpert. Branagh kopiert den schauspielerischen Gestus seines Regisseurs perfekt: die etwas erschlaffte, gebeugte Körperhaltung, das nervöse Armrudern in Stressituationen und das stakkatoartige Sich-Um-Kopf-Und-Kragen-Reden. Nur die schwarze Hornbrille muß man sich dazu denken.
Als Über-Ich dient Allen diesmal die Figur des Sensationsjournalisten Lee Simon. Der erfolglose Autor von unverkäuflichen Romanen und halbfertigen Drehbüchern hat es nie geschafft, Teil jener glitzernden Welt zu werden, über die er berichtet. Wie eine Klette hängt er sich an die Berühmtheiten der Film- und Literaturschickeria. Seit er sich durch Scheidung von ehelichen Treueverpflichtungen losgesagt hat, sucht er geradezu manisch den sexuellen Kontakt zum weiblichen Teil des Glamour-Betriebes. Selbstverständlich erweist sich Woody Allen auch hier wieder als fantasiereicher Erfinder verpatzter Annäherungsversuche. Mehr Glück hat Lees Ex-Gattin Robin (Judy Davis). Nachdem sie ihr Scheidungstrauma vergeblich durch Psychiater- und Klosterbesuche zu bekämpfen versuchte, trifft sie beim Schönheitschirurgen auf den Fernseh-Produzenten Tony (Joe Mantegna), der sie vor die Kamera und vor den Traualtar zerrt.
Um die beiden Hauptfiguren rankt sich ein turbulentes Beziehungsgeflecht aus Stars und Sternchen der New-Yorker VIP-Szene: vom bekennend polymorph-perversen Supermodel (Charlize Theron) bis zum katholischen Fernseh-Pfarrer, vom exzentrischen Teenie-Idol (Leonardo DiCaprio) bis zur unbekannten Statistin (Wynona Ryder), von der dümmlichen Filmdiva (Melanie Griffith) bis zur patenten Verlagslektorin (Famke Janssen). "Man lernt viel über eine Gesellschaft, wenn man sich anschaut, wen sie als Berühmtheit feiert.", kommentiert Robin in ihrer ersten Fernsehshow betont beiläufig. Mit einem personellem Höchstaufgebot setzt Celebrity die Höhen und Tiefen des High-Society-Rummels in Szene: 242 Sprechrollen und 5128 Statisten führt Allen durch den in Schwarz-Weiß gedrehten Film, und er beweist sich wieder als Meister der lockeren Patchwork-Dramaturgie. Bis in die Nebenhandlungen hinein sind die Dialoge mit einer Unzahl von messerscharfen Pointen gespickt. Der gnadenlose Humor allerdings, der Harry außer sich zum bitter-bösen Vergnügen werden lies, findet sich in Celebrity leider nur in deutlich gezähmter Weise wieder.

Martin Schwickert