DIE REISE DES JUNGEN CHE


Am Leben gereift

Ernesto Guevara, bevor er Ché wurde

Buenos Aires im Jahr 1952: der 23-jährige Medizinstudent Ernesto Guevara de la Serna und sein bester Freund, der Biochemiker Alberto Granado, haben sich was in den Kopf gesetzt: Auf Albertos klapprigem Motorrad (das sie optimistisch "Die Allmächtige" taufen) wollen sie 8000 Kilometer quer durch Lateinamerika zurücklegen, um einen Teil des Kontinents kennenzulernen. Ernesto verabschiedet sich von seiner Familie, und schon knattern die beiden Richtung Chile. Als ihr Gefährt den Geist aufgibt, schlagen sich die jungen Idealisten mit Trampen und Fußmärschen durch. So durchqueren sie Chile und Peru, wo sie den berühmten Lepra-Forscher Dr. Pesce treffen. Der organisiert für sie einen Arbeitsaufenthalt in der Lepra-Kolonie von San Pablo. Die Ungerechtigkeit dort und die Ausbeutung, die ihnen in den ländlichen Gegenden von Peru begegnet, verändern vor allem Ernestos Sichtweise.
Basierend auf den Tagebüchern Ché Guevaras, die erst in den 80ern gefunden wurden, hat Regisseur Walter Salles (Hinter der Sonne, City of God) ein imposantes Road Movie inszeniert. Neben den tollen Bildern der Weiten Lateinamerikas oder uralter Azteken-Städte wie Machu Picchu beeindrucken auch die schauspielerischen Leistungen, allen voran Gael García Bernal, der die Entwicklung des Frauenschwarms über den Theoretiker bis hin zum engagierten Verfechter von Gerechtigkeit überzeugend darstellt.
Neben Chés Motorcycle Diaries (so der Originaltitel des Films) diente das Buch With Ché through Latin America von Alberto Granado, der heute noch lebt und im Film einen kurzen Auftritt hat, als Vorlage für Drehbuchautor José Rivera. Daraus ist zwar keine pure Dokumentation oder faktisch genaue Rückblende geworden, Die Reise des jungen Ché wirkt aber dennoch authentisch.
Während Chés stilisiertes Portrait als Symbol für Freiheit und Rebellion mittlerweile wie selbstverständlich Tausende von T-Shirts, Tassen und Wohnzimmerwände ziert, blickt man hier hinter die Legende. Der Film zeigt, dass man nicht als Revoluzzer geboren wird und subversive Ideen nur entstehen, wenn man die Grenzen seines Wohnortes überschreitet.

Michaela Sommer
The Motorcycle Diaries. USA/GB/Arg. 2004. R: Walter Salles. B: José Rivera. K: Eric Gautier. D: Gael García Bernal, Rodrigo de la Serna, Mía Maestro.