WILD CHRISTMAS


Falsches Spiel

John Frankenheimer inszeniert gewohnt solide

Wir sehen einen Weihnachtsmann in einer Blutlache im Schnee, ein anderer liegt dampfend auf einer Kühlerhaube, den Kopf in einer Windschutzscheibe festgeklemmt. Hier weihnachtet es nicht. Und der Erzähler aus dem Off erklärt auch gleich, dass er die Feiertage immer gehasst hat.
Rückblende. Sechs Tage zuvor lebt der Erzähler noch im Gefängnis. Sein Name ist Rudy (Ben Affleck). Zusammen mit Zellenkumpel Nick (James Frain) stellt er sich die Freiheit hinter den Mauern vor. Zwei Tage müssen beide noch absitzen, dann sind sie freie Männer. Rudy träumt von heisser Schokolade und einem Pecan Pie, Nick von einem gemeinsamen Leben mit Brieffreundin Ashley (Charlize Theron).
So weit kommt es nicht. Bei einem Aufruhr in der Gefängniskantine findet Nick den Tod durch einen Messerstich, der eigentlich Rudy gegolten hat. Rudy heult ein bisschen, nimmt sich vor dem Gefängnistor der hübschen Brieffreundin an und tröstet sich - als Nick - mit ihr. Eine heisse Nacht respektive eine seltsam hingeworfene Sexszene später gewinnt der Knacki Freude an der neuen Identität.
Der Überschwang währt nicht lang. Auf einmal steht Ashleys Bruder (Gary Sinise) vor Rudy/Nick und zwingt ihn, bei einem Coup über Weihnachten mitzumachen. Das Ziel ist ein Casino, in dem Nick früher gearbeitet hat. Rudy hat keine Ahnung, was dort vorgeht, aber genug Lebenswillen, um die falsche Rolle weiterzuspielen.
Drehbuchautor Ehren Kruger beschreibt ein verzwicktes Katz-und-Maus-Spiel, eine Weihnachtsgeschichte um Liebe, Betrug und Verrat. Frankenheimer setzt die vor dem Hintergrund des Raubes stattfindende Dreier-Geschichte mit vielen Nahaufnahmen und schrägen Winkeln um.
Das wirkt altmodisch, aber der Regisseur ist mit über 40 Jahren Filmerfahrung ein alter Hase. Er verweigert sich Spezialeffekten und rasanten Schnitten. Seine Ästhetik ist kühl, das Tempo fast ruhig. Den Weg von Saulus Rudy zum Paulus umweht Frankenheimer mit viel Schnee, von unterkühlter Spannung kann jedoch keine Rede sein. Wild Christmas ist handwerklich gutes Kino mit einem überraschenden Ende.

Ulf Lippitz
USA 2000. R: John Frankenheimer B: Ehren Kruger. K: Alan Caso D: Ben Affleck, Charlize Theron, 100'