UNTERWEGS NACH COLD MOUNTAIN


Der amerikanische Patient

Nicole Kidman und Jude Law Lieben und Leiden im Bürgerkireg

Mit Unterwegs nach Cold Mountain nimmt sich Anthony Minghella eines historischen Traumas der amerikanischen Geschichte an: dem Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten, in dem 620.000 Menschen ihr Leben ließen und der bis heute die letzte kriegerische Auseinandersetzung auf dem Territorium der USA blieb.
Die Wunden dieses Konfliktes sind auch heute noch in den Vorurteilsstrukturen zwischen Nord und Süd tief eingeschrieben und dienen immer wieder als literarische Inspiration. Charles Frazier hat seinen Roman Cold Mountain 1997 verfasst und widmete sich den Auswirkungen des Bürgerkrieges auf die einfachen Leute im Hinterland North Carolinas.
Ähnlich wie in Der englische Patient steht in Minghellas filmischer Adaption des Romans eine große, unerfüllte Liebe im Zentrum.
Nur wenige Male haben sich die Pfarrerstochter Ada (Nicole Kidman) und der schüchterne Zimmermann Inman (Jude Law) tief in die Augen gesehen, da rollen die historischen Ereignisse schon über die privaten Glücksversprechungen hinweg. Inman zieht unter der Fahne der Konföderierten in den Krieg. Kurz, aber sehr effektiv zeichnet Minghella ein Bild von der Brutalität des Schlachtengemetzels, dann kommt der Film zur Ruhe und widmet sich den inneren Zerstörungen, die der Krieg in den Menschen anrichtet.
Nach seiner Verwundung desertiert Inman, folgt dem Ruf von Adas sehnsuchtsvollen Briefen und macht sich auf den weiten Weg zurück nach Cold Mountain. Seine Reise wird zur Odyssee durch das Hinterland des Bürgerkrieges, wo er, verfolgt von Yankies und konföderierten Deserteursjägern, um sein Leben kämpfen und mythischen Versuchungen widerstehen muss.
Zu Hause fällt Ada nach dem Tod ihres Vaters in tiefe Depression und Verarmung. Nur mit Hilfe der patenten Ruby (Köstlich: Renée Zellweger) kann sie die elterliche Farm wieder in Betrieb nehmen. Durch die Freundschaft reift die verwöhnte Pfarrerstochter zur kämpferischen Persönlichkeit und setzt sich gegen die marodierenden Bürgermilizen zur Wehr, die an der Heimatfront das Gesetz in die Hand genommen haben.
Mit Unterwegs nach Cold Mountain ist Minghella ein differenziertes Sittengemälde des amerikanischen Bürgerkrieges gelungen, das sich dem Freund-Feind-Schematismus vollkommen entzieht. Sein Film zeigt wie die Mechanismen des Krieges Seelenabgründe aufreißen und dass der eigentliche Kampf um die Menschlichkeit stets individuell ausgetragen wird.
Der eher nüchtern humanistischen Analyse steht eine große Liebesgeschichte gegenüber, die allerdings auf der Leinwand nicht jene Kraft entwickelt, die ihr im Film unterstellt wird. Dass die beiden Liebenden über zwei Drittel der Filmlänge voneinander getrennt sind, ist dabei nicht das Problem. Unerfüllte Sehnsucht ist im Kino eigentlich ein zuverlässiges Zugpferd.
Aber sowohl Nicole Kidman als auch Jude Law sind zu sehr in ihrer eigenen, unterkühlten Ikonographie gefangen, um die Leinwand zu entflammen und das endlose Schmachten in einen masochistischen Kinogenuss zu verwandeln. In Unterwegs nach Cold Mountain entwickelt Minghella zwar die epische Breite, jedoch nicht die emotionale Tiefe, mit der er in Der englische Patient das Publikum eroberte.

Martin Schwickert
Cold Mountain. USA 2003. R&B: Anthony Minghella. K: John Seale. D: Jude Law, Nicole Kidman, Reneé Zellweger, Donald Sutherland