The Company Men

Arbeit am Ende

Die Folgen der Bankenpleite als freundliches Lehrstück mit Allstar-Ensemble

Früher haben wir hier Schiffe gebaut", sagt Gene McClary, während er über das baufällige Werftgelände am Bostoner Hafen geht, "die Schiffe konnte man riechen und anfassen. Heute hat jeder nur noch Stockoptions und Aktien."

Gene McClary (Tommy Lee Jones) gehört zum Vorstand eines Mischkonzerns, der seine Arbeiter gerade zu Tausenden entlässt, um damit den Aktienkurs hoch zu halten und eine feindliche Übernahme zu verhindern. Wenn Gene aus seinem großen Bürofenster sieht, kann er Dutzende traurige Menschen sehen, die auf dem Parkplatz zu ihren Autos gehen, jeder einen weißen Pappkarton vor sich her tragend (den stellt die Firma), in dem die persönlichen Dinge aus dem Schreibtisch sind.

3000 Leute wurden heute entlassen, und Bobby Walker (Ben Affleck) ist einer von ihnen. Der Ex-Chefverkäufer wird jetzt den Weg der Demütigungen gehen. Er wird sinnlose Bewerbungsgespräche führen (in denen ihm alberne Jobs für die Hälfte seines alten Gehalts angeboten werden), er wird seinen schicken Sportwagen verkaufen, sein Haus, er wird samt Familie wieder zu seinen Eltern ziehen.

Währenddessen verdienen Gene McClary und seine Kollegen prächtig an den Entlassungen. Der Börsenwert des Unternehmens steht dabei ständig (obwohl es weniger produziert!), und in einer Nacht ist McClary um eine halbe Million Dollar reicher.

Auch McClary wird seinen Job verlieren, genau wie sein Freund Phil Woodward (Chris Cooper), der sich auslachen lassen muss, als er sich um einen neuen Job bewirbt: "Wie alt bist du, Phil??" Eine Jobberaterin hatte ihm zuvor geraten, das Rauchen aufzugeben und sich die grauen Haare zu färben.

In vielen kleinen Geschichten erzählt John Wells' The Company Men von der Unlust der Reichen, weiterhin etwas von ihrem Reichtum abzugeben. Denn die Krise ist ja keine Produktions- oder Absatzkrise, es geht um Firmenwerte und persönlichen Reichtum. Tag und Nacht durchforsten die Analytiker die Firma auf Möglichkeiten, Kosten einzusparen und Produktionszweige zu schließen. Beim nächsten Schub wird man noch einmal 5000 Leute entlassen, und der Vorstandschef wird über Nacht noch einmal um 600 Millionen Dollar reicher sein.

Den langsamen Abstieg Bobby Walkers in die Armut begleitet der Film ohne große Gesten, ohne dramatischen Firlefanz. Hier wird nicht geschrien, getobt, es werden keine wilden Theorien ausgestoßen, es wird nur - gezeigt. Wie der Sportwagen plötzlich von einem Fremden abgeholt wird. Wie Bobby mit dem letzten leeren Karton in seinem leeren großen Haus steht. Und wie er plötzlich wieder Zeit für seine Frau und seine Kinder hat, weil Armut und das Besinnen auf die wahren Werte uns eben alle zu besseren Menschen macht.

Man sieht The Company Men mit gemischten Gefühlen. Zwar wurde seit Glengarry Glenn Ross die Angst alternder Männer vor dem wirtschaftlichen Absturz nicht mehr derart sinnlich und von einem derart großartigen Ensemble präsentiert wie hier, andererseits ist der bodenständige Optimismus, mit dem der Film den Weg aus dem Dunkel weist, durchaus anrührend, aber dafür reichlich naiv: Ärmel aufkrempeln, zupacken, und nett zur Familie sein.

Trotzdem bleiben viele Bilder im Kopf. Etwa die Dutzenden leeren Schreibtische, an denen mal gearbeitet wurde. Die riesigen verfallenen Werfthallen (Boston ist voll davon), der gigantische neue Bürokomplex, den sich Bobbys Boss gönnt, das traurige Gesicht von Tommy Lee Jones, der das alles zu lange mitgemacht hat und sich für seine Vorstandskumpane schämt, die Silhouette von Chris Cooper im Abendlicht, der, nachdem er den Müll herausgetragen hat, vor seinem Haus eine Zigarette raucht und nicht weiß, warum er noch weiterleben soll.

Wells, der bisher nur als TV-Produzent und Regisseur auftrat, hat mit diesem brillanten Debut viele kleine Geschichten aus der Krise zu einem stimmigen, am Ende zu Tränen rührendem Film zusammengefügt, der die letzte Krise als abgeschlossene Episode betrachtet. Es wird sich nichts ändern, es wird einfach alles wieder von vorne beginnen.

Dass dabei die Krisengewinnler einfach immer reicher werden, kommt nur am Rande vor. Es zu wissen hilft auch nicht wirklich weiter, wenn man einfach wieder ein Dach über dem Kopf und einen Job braucht, der die Familie ernährt. "Ich hab dich hängen lassen", sagt Bobby Walker einmal zu seiner Frau und hat dabei Tränen in den Augen, "ich hab euch alle hängen lassen." Da nimmt sie ihn in den Arm und tröstet ihn. Und dann vögeln die beiden erst einmal miteinander.

Manche Antworten haben nichts mit Worten zu tun. Und wenn man einen Kameramann wie Roger Deakins hat (der zuletzt True Grit und A serious Man fotografierte), sind Bilder eh die bessere Lösung.

Thomas Friedrich

USA 2010 R & B: John Wells K: Roger Deakins D: Ben Affleck, Tommy Lee Jones, Chris Cooper, Maria Bello, Kevin Costner, Craig T. Nelson