THE CONGRESS

Ein Hauch von Lem

Ari Folman schickt eine Brautprinzessin in die chemische Matrix

Es geht um eine Schauspielerin, die Robin Wright heißt, von Robin Wright gespielt wird, und angeblich nach dem frühen Erfolg als Die Braut des Prinzen alles falsch gemacht hat. Im mittleren und mittlerweile unvermittelbaren Alter drängt ihr Agent sie zu einem letzten Vertrag mit dem sie in Wahrheit wohl ihre Seele verkauft, im Film aber erstmal nur ihre Körperdaten und Mimikformeln. Voll digitalisiert darf sie von nun an nie wieder Schauspielen, dafür aber darf das Studio mit dem Computercharakter Robin Wright alles machen, vom Nazi-Porno bis zum SciFi-Blutbad, vom gefaketen Promo-Interview bis zur Endlosserie. Das erzählt Regisseur Ari Folman mit großer Geste, als seien wir mindestens auf dem Sunset Boulevard, und hängt seiner seltsam leblosen Filmfigur auch noch einen kranken Sohn an (eine Tochter auch, aber die wird später fast völlig vergessen), der vom Fliegen träumt und allmählich erblindet. Die böse Satire auf das Studiosystem wird zum Kulissenlager für melancholische Bilder für Mutterliebe auf verlorenem Posten und den Verlust der Freiheit, sich auch mal falsch entscheiden zu können.

Zwanzig Jahre danach setzt Ari Folmans Version von Stanslaw Lems Roman Der Futurologische Kongress ein, als Zeichtrickfilm, der aussieht, als wäre das Yellow Submarine der Beatles in einem Miyazaki-Anime gestrandet. Das ist im historischen Ansatz ganz geschickt, erschien Lems Roman doch am Anfang der halluzinatorischen 70er, wo die drogeninduzierte Fantasie gerne Blumen über die böse Welt wachsen ließ. Robin, als gezeichnetes Vorbild ihrer offenbar immer noch fotorealistisch animiert agierenden Film-im-Film-Figur, irrt durch eine schnell als Albtraum erkennbare Welt, in der übermächtige Konzerne an der endgültigen chemischen Auflösung des Ichs arbeiten. Darunter ein ziemlich steve-jobsiger Zauberlehrling.

Ein Näschen voll Mythologie-Staub, ein Schlückchen aus Alices Wunderland-Fläschchen, und schon stürzen Story-Elemente aus Lems Kongress in Folmans Congress durcheinander. Nur mühsam passt der Seelen-Vertrag aus dem Prolog noch in das Tohuwabohu, noch mühsamer zerrt die Sorge um den inzwischen längst erwachsenen Sohn die alte Mutter durch den Psychotrip, in einen Rebellenaufstand, zwischen die Beine eines netten Herrn und nach allerlei hin und her schließlich zurück in die reale Welt, möglicherweise.

Da kriegt das wild gezeichnete Märchen plötzlich Tiefe, wenn Robin mit einem Schritt aus dem Flower-Pop-Op-Lem-O-Cola-Rausch in den Slums der Wirklichkeit auftaucht. Aber nur für kurze Zeit. Auf der Suche nach einem versöhnlichen Ende schickt Folman Robin wieder zurück in den Ma(h)lstrom und lässt das Publikum im Ungewissen: Wo ist Robin? Wer ist Robin? Und wenn sie sich nur im eigenen Kopf zurecht erfindet, wo ist dann der?

Wunderliches Fantasie-Kino, voller Hyperlinks und Löcher.

Wing

I/D/P/L/F/B 2013. R + B: Ari Folman K: Michal Englert D: Robin Wright, Harvey Keitel, Danny Huston, Paul Giamatti