FLETCHER'S VISIONEN


Codierter Kaffee

Richard Donner zieht die Fäden einer Verschwörung gegen sich selbst

Verlassen sie das Kino bitte in Ruhe" schlägt Mel Gibson alias Jerry Fletcher etwa in der Mitte des Films vor. Aber beide bewirken damit geplant das Gegenteil. Im Film drängt das Publikum panisch zur Tür - und blockiert so die Bösen, die Jerry ans Leben wollen. Im Kino aber bleiben wir belustigt sitzen, weil der vorangehende Befreiungs-Schrei "unter meinem Sitz ist eine Bombe" ausgerechnet in eine fiktive Wiederaufführung von Richard Donners Der Tag des Falken platzt. Das war mal eine hübsch freche Fantasy, die der Verleih mit einer gnadenlosen Filmmusik zum Kassen-Flop machte. Später wurden der Regisseur, Mel Gibson, Produzent Joel Silver und die Warner Bros. mit der Lethal Weapon-Trilogie reich und berühmt - und wohl nicht mal Jerry Fletcher glaubt, in Conspiracy Theory (Originaltitel) für dieselbe Firma eine ironische Wiedergutmachungsszene zu haben.
Sonst glaubt Fletcher aber fast alles. Daß Serienmörder nie einen zweiten Vornamen haben, Präsidentenmörder aber immer ... daß Oliver Stone ein geheimer Freund George Bushs ist, weil er, hätte er mit JFK recht, längst tot wäre ... und daß flackernde Lichter verschüttete Erinnerungen an Gehirnwäsche-Sitzungen auslösen können. Wie in The Manchurian Candidate, dem klassischen Paranoia-Film. Der wird in Conspiracy Theory ausführlich zitiert, aber wohl nur, weil Richard Donner damals Laufbursche bei John Frankenheimer war. Sind also die Warn-Zettel am echten Kino-Eingang (Stroboskop-Effekte können Hirn-Strom-Störungen verursachen) Teil des Verschwörungs-Theorie-Fakes?
Alles hängt irgendwie zusammen, hinter allem steckt ein verstecktes Motiv, und wenn man es nicht beweisen kann, beweist das nur, wie perfide die Verschwörung ist.
Leider beweist Jerry Fletcher ziemlich schnell, daß seine Paranoia berechtigt ist. Gerade hat er noch Julia Roberts (tolle Leistung als selbstbewußte, doch vorsichtig faszinierte Skeptikerin) keinen Kaffee anbieten können (aus Angst vor Giftanschlägen hat er die Pulverdose mit einem Zahlenschloß gesichert - und den Code vergessen) - da überfällt ihn irgend ein Geheimdienst mit Krawumm.
An dessen Spitze agiert Patrick Stewart (der Capt. Picard der neuen Enterprise) als folternder Psychiater, der überzeugend wirkt, obwohl der Besetzungs-Gag sichtbar bleibt. Picard erschießt Fletcher, Roberts erschießt Stewart ... und eins von beidem ist nicht wahr; aber was, das weiß nur Donner.
Was genau vorgeht, erklärt der Film zwar noch, aber scheitert auch daran. Wo sich das Drehbuch (Brian "Assassins" Helgeland) bemühte, Action, Comedy, Paranoia, Romance und intellektuelles Spiel mit Wahrheiten verstörend und unterhaltend zu vermischen, da vereinzelt die Regie die Elemente. Effektiv zwar pro Szene, aber mit dem Ergebnis, daß wir nach drei übereinandergestapelten Schlüssen (das Gute in Form eines O.J. Simpson-Klons siegt, Mel kriegt Julia vielleicht doch, aber "Sie" fliegen mit einem schwarzen Hubschrauber im Flüstermodus hinterdrein) das Kino bloß unbeunruhigt verlassen. Oder doch desinformierend ruhiggestellt?

WING