CORRUPTOR


Gestörtes Gleichgewicht

Hollywood hat das Hongkong-Kino immer noch nicht verstanden

In den Klassikern John Woos hat der Hongkong-Star Chow Yun-Fat stets melancholischen Heldenfiguren verkörpert, die Eleganz und Stilwillen ins schießwütige Genre gebracht haben. Im grobschlächtigen US-Actionkino hingegen scheint man für den charmanten Schauspieler keine adäquate Verwendung zu haben. In The Replacement Killers mußte sich Chow Yun-Fat im letzten Jahr durch die Standardgeschichte des Regieneulings Antoine Fuqua schießen und nun wurde der asiatische Superstar für das drittklassiges Baller-Movie Corruptor von James Foley unter Vertrag genommen.
Ort der wirren Handlung ist New Yorks Chinatown. Seit zehn Jahren kämpft hier Nick Chen (Chow Yun-Fat) als Cop mit unorthodoxen Methoden gegen das wuchernde Verbrechen. Nicht ohne Erfolg kollaboriert er dabei mit dem Mobster Henry Lee (Ric Young). Geringfügigere Straftatbestände werden vom bestechlichen Cop übersehen, und im Gegenzug hält der Triaden-Boss Mord und Totschlag aus der Gegend fern. Das Gleichgewicht der Korruption wird empfindlich gestört, als eine junge Mafia-Gang mit brutalen Mitteln die Macht in Chinatown an sich reißen will und Chen den weißen Cop Danny Wallace (Mark Wahlberg) als Verstärkung für seine Einheit zugewiesen bekommt. Natürlich mögen sich der junge Grünschnabel und der abgeklärte Alt-Cop zunächst gar nicht leiden. Aber in diversen Schießereien dürfen die Kontrahenten sich mehrfach gegenseitig das Leben retten und Männerfreundschaft schließen. Bald schon gerät auch Danny in den asiatischen Dschungel der Korruption, und die Loyalität zu seinem väterlichen Freund wird auf eine harte Probe gestellt.
Nur mühsam gelingt es Regisseur James Foley (Glengarry Glen Ross) die dramaturgischen Lücken zwischen den ausladenden Feuergefechten mit nachvollziehbaren Handlungselementen zu füllen. Obwohl hier eifrig an einem Intrigennetz zwischen Polizei, FBI, verdeckten Ermittlern, bestochenen Cops und rivalisierenden Triaden gesponnen wird, ist es nicht immer schlüssig, warum hier wer auf wen schießt.
In Corruptor ist die moralische Zwickmühle nur eine müde Behauptung, die mit durchgehend peinlichen Dialogsequenzen untermauert wird. Chow Yun-Fat, der sonst eher durch einen stilvollen schauspielerischen Minimalismus überzeugt, versucht hier durch wildes Grimassieren den amerikanischen Action-Kollegen nachzueifern. "Chinatown veränderst Du nicht. Es verändert Dich", sagt er einmal im salbungsvollen Ton zu seinem neuen Kollegen. Ähnliches ließe sich angesichts dieses tragischen Schauspielerschicksals auch über das Hollywoodkino sagen.

Martin Schwickert