COUNTRY STRONG

Am Boden

Gwyneth Paltrow singt sich die Seele aus dem Leib

No Country for middleaged Women: Kelly Canter ist auf dem Gipfel des Ruhms betrunken und schwanger von der Bühne gefallen, hat ihr Baby verloren und in der Reha-Klinik einem jungen Gitarristen den Kopf verdreht. Der päppelt seinerseits eine junge Nachwuchssängerin auf, die süß aussieht, aber unter Lampenfieber leidet. Und dann packt Kellys Ehemann und Manager das ganze Konfliktpotential zusammen in einen Tourbus und organisiert Comeback-Konzerte. Die gehen anfangs grässlich schief, weil der vom Showbiz ruinierte Star noch allerlei Nebenkriege führen muss (der Nebenbuhler, die Nachfolgerin, das Marketing-Gefängnis). Aber dann gibt es ein glorioses Abschlusskonzert, auf dem Gwyneth Paltrow mit einer Durchhaltehymne brilliert: Ich habe kalte Winter überwunden, und Sommer ohne Regen. Ramtamtam. Ich bin landstark, erdkräftig, country strong, dideldumm.

Shana Feste, Regisseurin und Autorin, scheint nicht recht zu wissen, welche Geschichte sie eigentlich erzählen will. Wie ein Engel seine Flügel verliert? Wie ein netter Junge einmal beinahe in den Himmel kam? Wie ein liebender Mann alles falsch macht? Wie das bodenständige Genre zum massenkompatiblen Talentfresser verpoppt wurde? Oder dass das Herz der Country-Musik immer weiter schlägt, auch wenn keiner mehr steht?

Ein bisschen von allem ist in Country Strong, aber von allem zu wenig, damit noch Platz für viele Songs bleibt, die fast alle extra für den Film geschrieben und sämtlich von den Darstellern selbst gesungen wurden.

Die fehlende Stringenz der Geschichte und die schwankenden Zu- und Abneigungen der Figuren untereinander kann man als differenzierte Sicht auf die Schattenseiten des Ruhms nehmen. Den Mut zur moderaten Abgewracktheit mag man Gwyneth Paltrow, die im wahren Leben für Yoga und Makrobiotik wirbt, hoch anrechnen. Und die Entscheidung, den einzigen echten Country-Sänger Tim McGraw als Ehemann keinen Ton singen zu lassen geradezu als Chuzpe feiern.

Das städtische Publikum, das Country nur aus dem Kino kennt, verläuft sich trotzdem zwischen den Klischees. Einmal entführt der aufstrebende Gitarrist den wankenden Star gar zu einem Freiheits-Ausflug im offenen Eisenbahn-Güterwagen. Ein andermal pflegt Kelly einen verletzten Vogel in einer Zigarrenkiste, ihr Mann übernimmt die Fütterung während der Tournee, und dann vergisst das Buch das Motiv.

Schade. Immerhin ist der Ansatz, aus Kelly Canter in der Bühnenshow eher eine Madonna als eine Dolly Parton zu machen, ganz reizvoll. Und ihre Tipps für den Nachwuchs, die sie wie einen Abschiedsbrief an die Zweitsängerin gibt, sind beherzigenswert: Nimm niemals Abführmittel. Und trink am Auftrittstag keinen Sprudel.

Wing

USA 2010. R + B: Shana Feste K: John Bailey D: Gwyneth Paltrow, Tim McGraw, Garrett Hedlund, Leighton Meester