»CRAZY«

Frühe Liebe

Hans-Christian Schmid verfilmt Benjamin Leberts Bestseller


Das Interview zum Film

Sechzehnjährige Jungs sind voll peinlich, sagt eines der Mädchen im Vorbeigehen. Die anderen nicken, während sich der lärmende Jungen-Pulk von ihnen entfernt. Recht haben sie. Männliche Pubertät ist eine peinliche Veranstaltung und für Außenstehende schwer zu ertragen. Im Kino ist der Blick auf die Jugendzeit oft durch das Alter der Filmemacher verklärt, und nur selten gelingt es, ein halbwegs authentisches Bild der Gärprozesse zu zeichnen.
Hans-Christian Schmids Crazy hat hierfür beste Voraussetzungen. Im zarten Alter von 17 Jahren hat Benjamin Lebert die autobiografische Romanvorlage geschrieben. Benjamin ist in Film und Leben Halbseitenspastiker. Das bedeutet Pubertät unter verschärften Bedingungen. Fünf Mal hat er schon die Schule gewechselt, nun haben ihn die Eltern in ein schickes bayerisches Internat verfrachtet. Ganz normal möchte Benjamin (Robert Stadlober) von seinen Mitschülern behandelt werden - und landet erst einmal samt Klamotten unter der Dusche.
Ausgerechnet der abweisende, obercoole Janosch (Tom Schilling) wird sein bester Freund. Janosch will möglichst schnell erwachsen werden, Benjamin versucht, ihm zu folgen. Die Internats-Gang ist vielleicht kein Club der toten Dichter, aber zwischen Saufgelagen, Striplokal-Besuchen und Kekswichsen wird dennoch eifrig über Zweck und Ziel des Lebens sinniert. Manchmal vertieft sich Benjamin in Playboy oder Bravo , dann zeigt die Kamera das Leben als Porno-Fantasie oder Foto-Love-Story. Während die Mädchen in der Turnhalle grazile Gymnastikübungen vollziehen, liegen die Jungs auf der Hochsprungmatte und versuchen das Wesen der Frau zu erkunden. In die makellose Malen (Oona Devi Liebich) haben sich Benjamin und Janosch gleichzeitig verliebt, was ihre Freundschaft auf eine harte Probe stellt.
Mit aufmerksamen Blick schaut Hans-Christian Schmids Crazy hinter die Fassade pubertären Imponiergehabes und zeichnet ein äußerst glaubwürdiges Bild vom Ende des Kindseins. All das trübe Sinnieren, das ziellose Herumtreiben, die wilden Zimmerpartys, die Schmerzen des Verliebtseins und die ernüchternde Entjungferung zeigt der Film maßstabgetreu. Schon in seiner vielbeachteten Hackerstory 23 hat Schmid sein Talent für Jugendstoffe bewiesen. Crazy biedert sich nicht durch eine aufgesetzt flotte Ästhetik beim Zielpublikum an, sondern konzentriert sich auf die genaue Zeichnung der Figuren. Was Schmid aus den jungen Darstellern herauslockt, ist beeindruckend.
Eigentlich gehört Crazy ja zum beliebten Genre der High School Comedies. Von der vorformatierten, altklugen Teenie-Filmen des Hollywood-Betriebes ist Schmids Jugendporträt jeoch Lichtjahre entfernt.

Martin Schwickert