I'M A CYBORG, BUT THAT'S OK

Genial entrückt

Nach seiner Rache-Trilogie legt Park Chan-Wook einen zärtlichen Liebesfilm vor

Ganz anders als in Formans Klapsenklassiker Einer flog übers Kuckucksnest , an dem sich ganze Generationen von Irrenhausfilmen ausrichteten, ist die Psychiatrie in Park Chan-Wooks Film kein Ort autoritärer Repression, sondern eine pastellfarbene Schutzzone, in der sich die fehlgeleiteten Fantasien der Patienten frei entfalten können.
Als die junge Young-goon (Lim So-Jeong) hier eingeliefert wird, führt sie eine Frau durch das Panoptikum der verschiedenen Geistesstörungen, die im Sanatorium versammelt sind. Vom manischen Tischtennisspieler über den Mann, der vor lauter Höflichkeit sich vornehmlich rückwärts fortbewegt, bis hin zur fresssüchtigen Anstaltsdomina ist hier alles vertreten, was eine illustre Nervenklinik ausmacht. Wenig später wird auch die vermeintliche Krankenschwester von einer Anstaltsbediensteten eingesammelt, und spätestens jetzt ist klar, dass in diesem Film auf das Korrektiv der Normalität konsequent verzichtet wird.
I'm a Cyborg, but that's OK lässt sich vollkommen ein auf die Ver- und Entrücktheit seiner Figuren. Young-goon wurde von ihren Verwandten in die Klinik gebracht, nachdem sie sich die Pulsadern aufgeschnitten und ein Stromkabel in die offenen Wunden gelegt hatte. "Ich bin kein Psycho" sagt sie, "Ich bin ein Cyborg". Natürlich essen Cyborgs nicht, sondern lecken hungrig an Batterien und Steckdosen. Konsequenterweise unterhält sich Young-goon auch lieber mit Glühbirnen und Getränkeautomaten als mit ihren Mitmenschen. Il-soon (Jung Ji-hoon), der sich zumeist hinter einer Tiermaske versteckt, hört ihr dabei zu und findet Gefallen an der vermeintlichen Maschinenfrau.
Aber die Annäherung ist schwierig, weil sie sich als Cyborg gerade jedes Mitgefühl abgewöhnen will und er Angst hat, sich in einen Punkt zu verwandeln, der in sich selbst verschwindet. Aber Il-soon ist ausdauernd und setzt seiner zukünftigen Geliebten einen Prozessor ein, der Reis in Strom verwandelt und sie vor dem selbstverschuldeten Hungertod bewahrt. Denn eigentlich leidet Young-goon unter einer Essstörung, aber das ist eben nur die halbe Wahrheit.
Und von der anderen Hälfte erzählt Park Chan-Wooks ebenso rührende, wie durchgeknallte Romanze, in der das Prinzip gegenseitiger, bedingungsloser Akzeptanz als Voraussetzung der Liebe mit pastellbunten Farben ausgeschmückt wird. Der koreanische Filmemacher, der sich bisher vor allem durch seine Rachetrilogie Sympathy for Mr. Vengeance (2002), Old Boy (2003) und Lady Vengeance (2005) international einen Namen gemacht hat, zeigt sich hier von einer sehr viel zarteren ästhetischen Kompromisslosigkeit. Der scheinbar assoziative Erzählstil seines Filmgedichtes, das sich wenig um dramaturgische Effizienz kümmert, ist sicherlich gewöhnungsbedürftig. Aber I'm a Cyborg, but that's OK findet wunderschöne Bilder für diese vollkommen individualistische Liebe, die der Realität auf geniale Weise entrückt wird.

Martin Schwickert

Saibogujiman kwenchana. Südkorea 2006. R: Park Chan-Wook . B: Jeong Seo-Gyeong, Park Chan-Wook K: Jeong Jeong-hun D: Lim Su-Jeong, Rain