ZURÜCK NACH DALARNA!

Internal Affairs
Eine schwedische Komödie erkärt uns: Heimat ist da, wo's wehtut

Wenn wir das richtig verstanden haben, ist Dalarna sowas wie der schwedische Schwarzwald: kernige Ureinwohner, idyllische Landschaft, insgesamt alles etwas rück- und bodenständig. Wer da geboren wurde und trotzdem in die Großstadt zieht, wird von den Einheimischen als nicht ganz richtig im Kopf angesehen.
So geht es auch Mia, Mitte 30, die zum 70. Geburtstag ihres Vaters ihr Dorf in Dalarna besucht. Dafür muss sie schon auf der Hinfahrt mal kurz rechts ´ranfahren und tief Luft holen. Mia lebt seit 15 Jahren in Stockholm, was ihr vor allem die älteste Schwester Eivor nicht verzeihen kann. Eivor hat sich mit Mann und Kindern im Dorf eingerichtet, betreut die schon leicht tüdeligen Eltern, übernimmt in jeder Situation das Kommando und weiss immer alles besser. Manchmal verkriecht sich Eivor zu Hause in den Kleiderschrank, um die Familie nicht zu stören, und weint.
Gunilla, die mittlere der Schwestern, hat sich von ihrem anscheinend todlangweiligen Mann scheiden lassen und schwärmt davon, wie sie während ihres Urlaubs auf Bali gevögelt wurde. Trotz ihrer offensiven Fröhlichkeit ist Gunilla die traurigste der drei Schwestern.
Und während die drei das Fest für Papas Geburtstag organisieren, lernen wir immer mehr über Neid, Einsamkeit und dass jede glaubt, sie sei nicht gut genug und die Anderen hätten es besser getroffen. Der Film endet tragisch und idyllisch, jemand wird sterben, aber eines der letzten Bilder zeigt einen ziemlich beeindruckenden Sonnenaufgang im schwedischen Winter. Der ist so schön, so bescheiden, dass man da sterben möchte.
Maria Blom, eigentlich Schauspielerin in Stockholm, hetzt mit ihrem Buch und ihrer Regie mit atemberaubenden Tempo durch dieses Familienspektakel. Immer wenn man meint, knietief in einem Klischee zu versinken, ist der Film schon zwei Ecken weiter, bricht Szenen einfach ab und eröffnet ein anderes Schlachtfeld. Erst am Ende merkt man, was für ein kluges Konzept hinter dieser Hektik steckt.
Wir haben noch nie davon gehört, aber falls es schwedischen Humor gibt, ist er offensichtlich furztrocken. Die quälend präzisen Portraits sind ebenso traurig wie schreiend komisch: der alternder Casanova, die gütige Lehrerin - alle werden mit Liebe und Witz gezeichnet, und wenn wir meinen, ihre Figur verstanden zu haben, passiert etwas gänzlich Unerwartetes, und wir merken, dass wir mit unserem Urteil zu schnell waren.
Rückkehr nach Dalarna! ist keine Spießerstudie (doch, das auch), eher eine dralle Beobachtung mit bösem Witz. Du kannst in deiner Heimat verwurzelt sein, dann wirst du ein trauriger Depp. Oder du kannst sie verlassen, dann wird es dir das Herz brechen. Wie auch immer: es wird wehtun.
Über diesen Schmerz zu lächeln und sich am Ende nicht für klüger als die Anderen zu halten: das ist die Idee. Maria Blom jedenfalls wohnt jetzt wieder in Dalarna.

Victor Lachner
Masjävlar. S 2004. R&B: Maria Blom. K: Peter Mokrosinski. D: Sofia Helin, Kasja Ernst, Ann Petrén, Lars G. Aronsson