DANTE'S PEAK


Der weiße Hau

Ein lokales Minimum auf der Erschütterungs-Skala

Damit das gleich klar ist, fliegt dir schon zu Beginn ein Berg um die Ohren: dieser Film ist eine Katastrophe. Und damit auch daran kein Zweifel besteht: dieser Film handelt nicht nur von einer Katastrophe, sondern er benimmt sich auch wie eine Figur in einem Katastrophen-Film. Und deren Publikum: Augen auf und durch, folge deinen Kino-Instinkten, verschwende keine Zeit auf Charakter, aber rette den Hund der Nachbarin.
Dante's Peak ist noch nicht der Gipfel des Peng-Trends (nach evtl. J.P., sicher Twister und irgendwie auch ID 4) - aber ein deutliches lokales Minimum auf der nach unten offenen Erschütterungs-Skala; trotz Pierce Brosnan, Linda Hamilton und Andrzej Bartkowiak. Regie und Etat, FX und Drehbuch dagegen (und Synchronarbeit, die kriegen nicht mal "Mr. Spock" in einem Beiseite-Witz richtig artikuliert) wirken stark planierend auf das angestrebte Giga-Beben.
Zu verdreht? Dann so: der nette Geologe, dem's vor Jahren wegen Zögerns eine nette Geologin per Steinschlag von der Seite riß, will unbedingt die nette Bürgermeistern dazu bringen, ihr Städtchen zu evakuieren, weil der schlafende Vulkan im Hintergrund sich zu räkelnd scheint. Sein sturer Chef ist dagegen, weil nichts bewiesen ist, und der Stadtrat auch, weil ein Investor sonst verschreckt werden könnte. Eine Stunde lang holpert die Exposition so dahin, die Indizien für steigende tektonische Spannungen liegen ungeschickt herum wie tote Eichhörnchen (weil Stickstoff aus dem Boden sickert), den Panorama-Tricks (kleine Menschlein am Rand der löcherigen Natur) sieht man die digitale Nachbearbeitung an - und als es endlich zu spät ist, hat der Film schon verloren.
Sogar den guten Eindruck, den Andrzej Bartkowiaks nervös fliegende Kamera in den scheinbar ruhigen Szenen vor dem Sturm macht. Und auch die Hoffnung auf nahegehendes Drama, die die auffällig wiederholten Großaufnahmen von Lady Terminators Falten und Bonds beginnender Hautermüdung behaupteten.
Dann kreißt der Berg. Und das Buch entblödet sich nicht, zum Hauptspannungsbogen zu erklären, ob die netten Kinder der netten Bürgermeisterin ihre nette Großmutter aus der Berghütte retten können - und wo der nette Hund abgeblieben ist. Der Hund kommt durch, die Oma nicht - das ist fast das einzige Zugeständnis an die Moderne.
Ein halbgarer Rückgriff ins Archaische aber könnte Dante's Peak zumindest eine Fußnote im Archiv der Zivilisationskritik sichern: alle Elemente nämlich verschwören sich auf dem Höhepunkt gegen die Helden; Feuer, Wasser, Erde, Luft verderben der Menschheit unter den Händen. Wer im geothermischen Jacuzzi badet, den kocht die Lava - wer mit dem Hubschrauber entkommen will, dem setzt sich Asche abstürzend in die Turbinen - wer sich per Boot entzieht, dem ätzt der schwefelsauer gewordene See die Planken unterm Hintern weg - und Steg und Weg verschwinden via Erdrutsch im Ungestalten ...
Mit 30 Millionen Dollar weniger und 3 Ideen mehr hätte Dante's Peak eine göttliche Komödie werden können. Wenn keiner da lebend rauskäme, wenn die zynischen Ansätze (ein Krater-Erforschungs-Roboter stürzt samt Techniker ab, aber die automatische Kamera läuft weiter) ausgeführt würden. Wenn das letzte Bild nicht alle lieben Leute beim Verlassen der zerdepperten Modell-Eisenbahn zeigte, sondern eine tote Stadt, begraben unter weißem Bimsstein-Staub, verschmorte Technik, zerfetzte Zivilisation ... und meinetwegen im Licht des letzten untergehenden Rasterelektronenmikroskops ein anaerobes Bakterium bei der tastenden Wiederaufnahme seiner Stoffwechselfunktionen. Aber so? No!

WING