THE PASSION OF DARKLY NOON


S-s-sünde

Tumber Trottel verfällt blonder Sirene - ein ganz neuer Plot

Ein Waldarbeiterhaus samt Holzveranda, ein Ford-Pickup mit den richtigen Kennzeichen, ein beuliger Wohnwagen, wie man ihn aus "Irgendwo in Iowa" kennt, und sehr viel undurchsichtiges Gehölz - das Setting ist sparsam in Philip Ridleys zweitem Spielfilm. The Passion of Darkly Noon will ein Thriller sein, deshalb steht das Haus allein im Wald und wird am Schluß in Flammen aufgehen, das Geschehen läuft zwangsläufig auf reinigendes Inferno hinaus.
Ein Mann bricht erschöpft auf einem Weg zusammen und wird zwecks Genesung zur schönen Callie ins Waldarbeiterhäuschen verbracht. Vorname Darkly, Nachname Noon - das verheißt nichts Gutes nicht. Einzige Habseligkeit: eine Bibel. Darklys Eltern - bei einem Pogrom ermordet - waren Mitglieder einer strengen christlichen Sekte.
Durch Callies fürsorgliche Pflege kommt der verirrte Christenmensch schnell wieder zu Kräften, um gleich neuen Verwirrungen entgegenzusteuern. Denn, wir erwähnten es bereits, Callie (Ashley Judd) ist wunderschön und außerdem ein recht freizügiges Wesen. Ausgelassen plantscht sie in einem pitschepatsche-nassen weißen Kleidchen, drappiert sich unschuldig schlafend auf einer Hollywood-Schaukel und repariert - entgegen aller berufsgenossenschaftlichen Vorschriften - im knappen Mini das Dach des Hauses. Mit kalbsäugigem Blick und zunehmendem Speichelfluß reagiert der fromme Fremde auf solch geballte Verführungskraft.
Dumm nur, daß Callie in festen Händen ist. Ihr Geliebter Clay (Viggo Mortensen) kehrt nach einem mehrwöchigen Waldspaziergang zurück. Die beiden lieben sich aufrichtig. Darkly (Brendan Fraser) schaut ihnen dabei zu und greift sich in die Hose. "Das ist S-S-Sünde", stammelt Darkly wiederholt - zu Recht. Der Seelenzwist steigert sich zu religiösen Wahnvorstellungen, Darklys Eltern - mit liebevoll zerschossenen Gesichtern - reinkarnieren aus dem Jenseits und hetzen Sohnemann im Kampf gegen die vermeintliche Hexe auf, bis dieser schließlich in Kriegsbemalung und mit Stacheldraht um die Brust zum apokalyptischen Finale bläst.
Dieser müde Plott wird wirkungsvoll durch Dialoge ergänzt, die gelegentlich die Grenze des Zumutbaren überschreiten. Sätze wie "Callie ist wie der Wald - eine wilde, ungebändigte Schönheit", schmerzen wie die Wurzelbehandlung bei einem schlechten Zahnarzt. Hieran können handwerklich korrekte Kameraarbeit (John De Borman) und ausgeklügelte Farbdramaturgie wenig ändern. Auf jede wichtige Wendung im ohnehin vorhersehbaren Handlungsverlauf weist Regisseur Philip Ridley mit dem Zeigestock: hier ein Blutstropfen, der in langanhaltender Großaufnahme Ungutes erahnen läßt, dort die auffällig beiläufige Einführung eines Hackebeils, das auf seinen mörderischen Einsatz wartet. In einem ordentlichen B-Movie findet man sich mit solch flunderplatten Erzähltechniken vielleicht ab. The Passion Of Darkly Noon fehlt jedoch der bekennende Charme eines Trashfilms. Nein, Ridley nimmt sich und seinen Film sehr ernst. Vergeblich versucht der Film, mit pseudohintergründigen Gesten über die Banalität von Story und Inszenierung hinwegzutäuschen. Nach seinem Debütfilm Schrei der Stille galt Philip Ridley vor fünf Jahren als ein vielversprechendes Regietalent, mit The Passion of Darkly Noon tritt er entschlossen den Gegenbeweis an.

Martin Schwickert