The Deep Blue Sea

Liebe oder Leidenschaft?

Ein englisches Drama mit einer fordernden Rachel Weisz

Das englische Sprichwort "Caught between the Devil and the deep blue Sea" beschreibt jemanden, der sich in einem Dilemma befindet. Wie zum Beispiel Hester, die Frau des angesehenen Richters Sir William Collyer, in London um 1950. Zwar liebt ihr Mann sie und bietet ihr ein angenehmes Leben, doch fehlt Hester die Leidenschaft. Ihre Schwiegermutter, die Hester nicht sehr schätzt, schlägt ihr kühl als Alternative "umsichtigen Enthusiasmus" vor.

Doch dann begegnet Hester dem ehemaligen RAF-Piloten Freddie, der in ihr die lang vermisste Leidenschaft weckt. Sie beginnt eine Affäre. Als ihr Mann dahinter kommt, gibt sie ihr bequemes Leben auf und zieht zu dem in einfachen Verhältnissen lebenden Freddie, dort hofft sie ihr Glück zu finden. The Deep Blue Sea basiert auf dem gleichnamigen Bühnenstück von Terence Rattigan, einem der populärsten englischen Dramatiker des 20. Jahrhunderts. Der Film umfasst im Wesentlichen die Ereignisse eines Tages und beginnt mit einem gescheiterten Selbstmordversuch von Hester. Durch zahlreiche Rückblenden öffnet Regisseur Davies räumlich und zeitlich das als Vorlage dienende Kammerspiel. Er lässt sich und dem gut spielenden Ensemble Zeit. Dadurch wirkt The Deep Blue Sea im Vergleich zu vielen anderen Literaturverfilmungen, die ihre Dialoge oft hektisch aneinanderreihen, geradezu gemächlich.

Die nachvollziehbar in die Handlung eingefügten Rückblenden sind Erinnerungen Hesters, in denen die verschiedenen Stationen ihrer Ehe und ihrer Beziehung mit Freddie beleuchtet werden. Viel wird subtil in ein paar Sätzen oder Bildern angedeutet. Hesters Ehemann bietet Liebe und ein angenehmes Leben. Freddie dagegen Leidenschaft, jedoch keine Stabilität, denn seine Kriegserlebnisse lassen ihn nicht los. Ebenso erweist sich ihr sozialer Unterschied als Hindernis, wie in einer kleinen Museumsszene deutlich wird.

Die Subtilität des Films hätte sicher Hesters Schwiegermutter gefallen, sie erweist sich an wichtiger Stelle aber als nachteilig. Denn die für die Handlung so wichtige Leidenschaft zwischen Hester und Freddie köchelt mehr als das sie brodelt. Auch macht es einem die Hauptfigur durch ihre fordernde, fast besitzergreifende Art nicht leicht. Die Sympathien gelten weniger ihr als den beiden Männern. Der liebevolle und verzeihende William tut einem leid, wann immer er abgewiesen wird. Auch Freddie, der keinen Platz in der Nachkriegsgesellschaft gefunden hat, wird von Hester schlicht überfordert und erweckt Mitleid.

So ist dann auch die berührendste und stärkste Szene des Films die, in der Hester und William während eines deutschen Luftangriffs auf London mit zahlreichen anderen Menschen Schutz in einer U-Bahn Station suchen und gemeinsam "Molly Malone" singen. In so einer Situation will man jemanden an seiner Seite wissen.

Olaf Kieser

GB/USA 2012 R & B: Terence Davies K: Florian Hoffmeister D: Rachel Weisz, Tom Hiddleston, Simon Russell Beale