Dein Weg

Unterwegs mit Freunden

Ein unsentimentaler Pilgerbericht mit Martin Sheen und Deborah Kara Unger

Eines Tages erhält Tom Avery einen schrecklichen Anruf: Sein Sohn Daniel ist in Frankreich bei einem Unwetter ums Leben gekommen. Daniel wollte nie das geregelte Leben des Vaters leben und reiste lieber durch die Welt. Vater und Sohn hatten deshalb seit Jahren einander nichts mehr zu sagen. Weil sein Sohn ausgerechnet zu Beginn einer Pilgerreise auf dem Jakobsweg umkam, beschließt der Vater, die Reise für den Sohn zu unternehmen. Mit der Asche Daniels im Rucksack nimmt er den langen Marsch auf sich und verstreut unterwegs behutsam Daniels Asche und nimmt so Abschied.

Aus diesem Stoff hätte man leicht einen pathetisch-katholischen Versöhnungsfilm machen können. Regisseur Emilio Estevez (der in wenigen kleinen Auftritten auch Daniel verkörpert) hat indes, gemeinsam mit seinem Vater Martin Sheen als Tom Avery, einen trockenen Film inszeniert, der einen verstockten, einsamen, schlecht gelaunten alten Mann porträtiert, der sich im Verlauf der Reise stetig verändert. Und weil Martin Sheen diesen grummeligen Kauz spielt, der sich eher widerwillig auf diese Reise macht, wird das zu keiner Sekunde langweilig oder gar sentimental.

Natürlich lernt Avery im Verlauf der Reise die genretypischen Gefährten kennen: einen dicken Holländer, einen verrückten Iren und eine zynische Amerikanerin. Und natürlich werden alle voneinander lernen und in kleinen Episoden etwas übereinander lernen.

Auch hier fasziniert das Understatement der Inszenierung. Es gibt keine großen Dialogszenen, keine Belehrungen über den Sinn des Lebens, keine Szenen mit Tränen. Es gibt nur erwachsene, einsame Menschen, die recht verzweifelt darüber sind, was aus ihrem Leben und den Menschen darin geworden ist. Dein Weg beschreibt den "Jakobsweg" nicht als Pfad zur Erleuchtung, mehr als Wutwanderstrecke, die man erlaufen muss, um erschöpft schließlich zu sich selbst zu finden.

Neben dem 70-jährigen Martin Sheen, der lange nicht mehr in einer großen Rolle zu sehen war, ist vor allem Deborah Kara Unger beeindruckend, deren tieftrauriges Gesicht viel mehr erzählt als ihr die Rolle an Dialogen zur Verfügung stellt.

Estevez' Inszenierung stellt immer wieder die Landschaft in den Vordergrund. Er verzichtet auf gefühlsmelkende Postkartenbilder und bevorzugt einen kalten, direkten Blick auf die Pyrenäen-Landschaft, die sich oft regnerisch und im Nebel als mühsam zu durchschreitendes Hindernis präsentiert.

Am Ende wird der bissige Tom Avery ein paar Mal freundlich gelacht haben und seine Gefährten sogar umarmen. Von Gott war kaum die Rede, nicht mal von einer eventuell unsterblichen Seele. Dein Weg ist ein erfrischend deutlicher Film über Dinge, von denen man nicht sprechen kann.

Victor Lachner

The Way USA 2010 R & B: Emilio Estevez K: Juan Miguel Azpiroz D: Martin Sheen, Emilio Estevez, Deborah Kara Unger, James Nesbitt, Yorick van Wageningen