THE DEPARTED

Wie im Rausch

Mit einem Remake kehrt Martin Scorsese in die Welt der Mobs und Cops zurück

Mit The Departed kehrt Regiemeister Martin Scorsese zurück in jenes Milieu, das er mit Filmen wie Good Fellas, Mean Streets oder Casino nachhaltig beschrieben hat und dabei Werke schuf, die Filmgeschichte geschrieben haben - zurück also auf die Straße, zu den Mobstern, den korrupten Cops, den Konflikten um Loyalität, Macht und Geld.
Als Vorlage diente der erfolgreiche Hongkong-Thriller Infernal Affairs, den Scorsese und sein Drehbuchautor William Monahan ins Boston der Gegenwart transferiert haben. Im Zentrum stehen zwei junge Männer, die ihrer sozialen Herkunft durch eine Polizeikarriere entfliehen wollen. Billy Costigan (Leonardo DiCaprio) kommt aus einer bekannten Mafiafamilie und bricht nach dem Tod seiner Eltern mit der kriminellen Verwandtschaft. Wegen seiner jähzornigen Gewaltausbrüche muss er schon bald seine Polizeimarke abgeben, bekommt aber eine zweite Chance und soll als Undercover-Agent gegen den lokalen Boss der irischen Mafia Costello (Jack Nicholson) ermitteln. Colin Sullivan (Matt Damon) hat nach der Polizeiakademie eine steile Karriere gemacht und ist gerade in die Spezialeinheit zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens befördert worden. Er ermittelt hochoffiziell gegen Costello und steht gleichzeitig auf der Gehaltsliste des Paten, der ihn seit frühester Jugend protegiert.
Aus der Konstellation der beiden sich gegenseitig belauernden Doppelagenten, die von der Existenz des anderen wissen, ohne dessen Identität zu kennen, entwickelt Scorsese ein komplexes Verwirrspiel um Vertrauen, Verlust und Verrat. Hatte man in den letzten beiden Filmen Gangs of New York und Aviator das Gefühl, dass Scorsese mit den historischen Stoffen seine eigene Meisterhaftigkeit etwas angestrengt zur Schau stellt, zeigt er sich in The Departed wieder als begnadeter Handwerker.
Alles stimmt an diesem Film. Die Entwicklung der Figuren, die, obwohl in ihren Männerritualen gefangen, alle Stereotypen aushebeln. Die Dramaturgie, verwinkelt und doch schnörkellos. Die Besetzung mit Nicholson, der den diabolischen Mobster mit ungemeiner Lässigkeit ausfüllt, mit DiCaprio und Damon, die auf der Leinwand wie zwei komplementäre Teile einer komplexen Figur erscheinen, und in den Nebenrollen nicht weniger brillant: Mark Wahlberg, Ray Winstone und Alec Baldwin. Die Dialoge sind schnell, präzise und auf äußerst kreative Weise vulgär, weil trotz aller deutlich herausgearbeiteten Gewalt die Worte immer noch die stärksten Waffen sind. Und schließlich die vollkommen uneitle, klar strukturierte Kamera von Michael Ballhaus und der dynamische Schnitt von Thelma Schoonmaker, die dafür sorgen, dass die 152 Kino-Minuten wie im Rausch vorbeigehen.

Martin Schwickert

USA 2006 R: Martin Scorsese B: William Monahan K: Michael Ballhaus D: Leonardo DiCaprio, Matt Damon, Jack Nicholson, Mark Wahlberg