DER DEUTSCHE FREUND

Eine unmögliche Liebe

Jeanine Meerapfel erzählt ein deutsch-jüdisches Märchen

Es sei nicht ihre Geschichte, betont die Regisseurin immer wieder, auch wenn sie ihr eingefallen ist und obwohl sie, wie ihre Hauptperson, als Kind jüdischer Emigranten in Buenos Aires aufwuchs. Auch die aus geflohenen Nazis bestehende Nachbarschaft stammt sehr direkt aus der Wirklichkeit. Aber dass sich Sulamit Löwenstein in den gleichaltrigen Friedrich von gegenüber verliebt, ist reiner Märchenstoff.

"Er ist kein Deutscher", beruhigt das Mädchen ihren besorgten Vater, "er ist Argentinier. Wie ich." Argentinien aber ist kein Märchenland, in dem eine junge Liebe über politische und kulturelle Gräben hinweg gelingen könnte. Die Königskinder müssen über mehrere Jahrzehnte hinweg ihre Wurzeln erkunden, ihre eigenen Identitäten finden. Der Sohn des Obersturmbannführers geht, als ihm seine Abstammung klar wird, nach Deutschland, schließt sich der APO an und kehrt in den 70ern nach Argentinien zurück, um gegen die Militärdiktatur zu kämpfen.

Die Tochter des Fabrikbesitzers, der in Argentinien nicht mehr auf die Füße kam, interessiert sich überhaupt nicht für die Vergangenheit und folgt Friedrich zunächst, kann aber dessen Hang zum "revolutionären Kampf" nicht teilen. Sondern nimmt sich einen Professor. Bis Friedrich in Argentinien verhaftet wird. Und das ist erst die erste Hälfte.

Das ergibt eine durchaus spannende Gemengelage aus Verschossenheit und Schwierigkeiten mit dem Selbstbild. Die aufbegehrende Generation kriegt nicht nur politische Gründe, sondern einen persönlichen Antrieb, mit den Eltern zu brechen. Und wir kriegen präzise ausgeleuchtete Zeitbilder aus den 50ern, 60ern und 70er Jahren, die mit sehr schön restaurierten VW-Käfern und Seitenstraßen in Buenos Aires, Frankfurt, Köln und irgendwo in Patagonien glänzen. Allerdings hetzen die historischen Episoden auch nur so vorbei und kriegen ihre zeitgeschichtliche Einordnung manchmal nur durch Nebenbemerkungen im Hintergrund.

"Mademoiselle" sagt der Lehrer, "Die Klasse geht jetzt zum Religionsunterricht. Ihr Kurs in Moral fällt heute aus." Die Liebe leider auch, weil weder die Kinder noch die Erwachsenen mehr tun dürfen, als nett beieinander Sitzen, beziehungsreich Gucken und papieren Daherreden. Die große Schiwago-Geste, die Jeanine Meerapfels echte argentinisch-deutschen Erinnerungen zusammenhalten soll, wirkt so ziemlich aufgesetzt.

Wing

D/Arg 2012. R + B: Jeanine Meerapfel K: Victor Gonzáles D: Julieta Veltrano, Celeste Cid, Juan Francisco Rey