Die vierte Macht

Wodka und Mädels

Ein etwas infantiler deutscher Verschwörungsthriller

Dennis Gansel gehört zu den Regisseuren, die sich gern in verschiedenen Genres ausprobieren. Von der Teenie-Komödie Mädchen, Mädchen, der Mischung zwischen Boxer- und Historienfilm in Napola über das Manipulationslehrstück Die Welle bis zu dem Vampirfilm Wir sind die Nacht reicht das Spektrum von Gansels Werk. Mit Die vierte Macht entwirft er nun einen klassischen Verschwörungsthriller. Und weil in einem Land, das von einer Affäre Wulff monatelang in Atem gehalten wird, auf diesem Gebiet wenig Inspirationen zu erwarten sind, reist Gansel Richtung Osten nach Russland, wo die Verflechtungen zwischen Schurken und Politikern mehr kriminelles Potenzial hervorbringen als die zinsgünstige Vergabe von Eigenheimkrediten.

Nach Moskau verschlägt es den Berliner Journalisten Paul Jensen (Moritz Bleibtreu), der mit westlichem Geschick das dortige Boulevard-Magazin "Moskau Match" ein wenig auffrischen soll. Um über die Society in der russischen Metropole adäquat berichten zu können, wirft sich Paul erst einmal im selbstlosen Selbstversuch in die Moskauer Partyszene. Aber als direkt neben ihm auf offener Straße ein regimekritischer Journalist erschossen wird, muss der Aushilfsredakteur feststellen, dass es in diesem Land nicht immer ganz so lustig zugeht.

Schließlich lernt er die schöne Politaktivistin Katja (Kasia Smutiak) kennen, und um ihr zu imponieren, schmuggelt er einen Nachruf auf den Ermordeten in die Klatschspalte. Wenig später wird er Zeuge eines Bombenanschlages auf eine U-Bahn-Station und kommt danach in geheimpolizeilichen Gewahrsam. Katja soll den Anschlag verübt haben. Paul wird der terroristischen Konspiration verdächtigt und landet auf nicht absehbare Zeit in einem finsteren Untersuchungsgefängnis.

Auch wenn die Story sicherlich nicht allzu weit weg von der Realität russischer Verhältnisse gebaut wurde, leidet der Film erheblich an Glaubwürdigkeitsdefiziten. Das liegt nicht an der verschwörungstheoretischen Prämisse, dass die russische Regierung Anschläge in Auftrag gibt, um ihren Krieg gegen vermeintliche, tschetschenische Terroristen zu legitimieren. Ein solches Vorgehen wäre in der Ära Putin durchaus denkbar. Das Problem ist, dass der Film von den wodkagesättigten Partys, über die schöne, aber unberechenbare Geliebte, bis hin zu feisten Geheimdienstoffizieren und finster dreinblickenden Mitgefangenen die westlichen Russlandklischees allzu leichtfertig bedient.

Mag sein, dass in jedem Klischee ein wahrer Kern steckt, aber zu dem dringt Die vierte Macht an keiner Stelle vor. Äußerst bemüht wirkt auch eine Vater-Sohn-Geschichte, die Paul für das journalistische Vermächtnis seines verstorbenen Vaters in die Pflicht nimmt.

Als Genrefilm ist das Ganze zwar dynamisch erzählt und recht flott bebildert, aber der Geschichte und den Figuren fehlt es einfach an Substanz.

Martin Schwickert

D 2012 R&B: Dennis Gansel K: Daniel Gottschalk D: Moritz Bleibtreu, Kasia Smutiak, Max Riemelt