»MEL BROOKS' DRACULA«

Vampen-Tango

Ein ganz hohler Zahn

Leslie Nielson als kukidentöser Graf des Grauens (dabei fehlt sogar dieser Witz im Skript), Mel Brooks als sephardischer Tony Hopkins (Waj geschrien), und drei Eimer voll Blut als Pointe? Das ganze verrührt und serviert mit dem Tempo eines Zombie-Kellners, der zu lange in der Sonne gestanden hat? Nein, da hatten wir vom Meister doch Blöderes erwartet. Und vor allen Dingen Schnelleres.
Schon ganz am Anfang von Mel Brooks' Dracula , wenn sich der Vorspann ellenlang durch mittelalterliche Blutsauger-Bildchen blättert - und nicht der geringste Spaß dabei ist (etwa Mickey Maus als Transsylvynischer Emigrant, wär' doch möglich, haben sich Laurel & Hardy selig doch auch ähnlich getraut). Oder beim ersten richtigen Bild, wenn der Schnösel aus England in der transsylvanischen Kutsche schnöselige Konversation mit dem Landvolk macht: er spricht, ein Synchron-Schaden, mit Eric Idles Stimme, hat aber gestisch nichts vergleichbar brit-bräsiges zu bieten. Ganz schlechter Start, trotz als Bäuerin verkleidetem Statisten (sind wir bei Black Adder? Leider nicht.).
Mel Brooks, dessen respektlose Umgehensweisen von Viktor F. bis Luke S. einiges zum permanenten Recykling der Massenkultur beigetragen haben, und sogar zuweilen richtig sinnvolles (Yoghurt/Yodas Merchandize-Shop-im-Film war ein albern treffender Kommentar zur Zeit), Mel Brooks hat offensichtlich sein Gebiß im Nachbarstudio liegen lassen. Und rettet sich noch offensichtlicher denn je mit Nummern über die Revue: wie einmal Draculas Schatten seine innersten Antriebe enthüllte - und mit Minas Schatten GV projizierte; wie einmal Dandy Harker sich den Anzug beim Pfählen versaute - und Van Helsing feige/klug im Blutschatten stehen blieb; oder wie Leslie/Lugosi einen furiosen Tango aufs Bankett legt (doch, ja, erst aufs Parkett, dann in den Spiegel - und vorher schon mal als Walzer, als hätte beim Endschnitt ein Witzloch gestopft werden müssen) ... wir haben alle gelacht. Zwei Handvoll mal.
Natürlich muß man Dracula-Filme kennen, natürlich vor allem den von Coppola, aber während der für eine Szene allein ein Dutzend Ideen wegwarf, und ein Dutzend weiterführende nur anspielte (das frisch erfundene Kino als Faszinosum für den lebenden Toten), da macht Brooks aus einem Dutzend Einfällen einen ganzen Film - und läßt alles weiterführende unsinnig herumstehen (ein, abweichend vom Original, konservativer Irrenarzt ...). Und jede Menge offensichtlicher (zum drittenmal dies' Wort, der Rezensent ist durch die Filmbetrachtung lexikalisch zwangsneurotisisert, offensichtlich) Standard-Spaßgelegenheiten einfach aus (niemand fliegt amblin-haft am zweimal - äh - deutlich zurechtgelegten Mond vorbei, keiner hat ein Blutgruppen- oder Jungfernschaftsproblem, und nirgendwo kommt es zu Zahnpflege-Pointen. Oder sagten wir das schon?).
Der geheime Kern des Scheiterns dieser Stoff-Verarsche aber liegt noch tiefer als Mel Brooks' aktueller Witzigkeitskoeffizent. Man denke: Coppolas Dracula war kürzlich ziemlich große Kunst nach drei Generationen voller Zahnfleischfresser; und es gibt keinen guten Ur-Dracula, nur Hoch-Zeiten unter Hammer und mit Cushing - dagegen war Branaghs Frankenstein ein Scheiß, nach vermutlich noch mehr Body-Party-Heulern; und es gibt sogar zwei hervorragende Ur-Frankensteins, und Mel Brooks eigene, frühe und verdienstvolle Junior-Variante. Das hat doch sicher irgendwas zu bedeuten?
Man verzeihe, daß die Film-Story hier nicht nacherzählt wird (weil wir es nur unangemessen lustig könnten: Graf entert Empire, stößt sich Zahn am Kronleuchter, verbruzzelt als nackte Fledermaus ...), man verzeihe, daß wir nur einem Haller Pizzabäcker ausdrücklich vom Besuch abraten (dessen Knoblauch-Tifay nichtmal eine nackte Fledermaus ins Trudeln brächte) - und Mel verzeihe, daß das Urteil lautet: wer über Coppola nicht lachen konnte, muß Brooks sehen. Sonst niemand.

WING