DR. ALEMAN

Wenn der Arzt kommt

Krisenherde als Abenteuerurlaub: August Diehl geht nach Kolumbien um zu helfen

Abitur. Medizinstudium. Danach Vatis Arztpraxis übernehmen. Das kann doch nicht alles sein! Da ihm die eigene, vorgezeichnete Zukunft zu eng wird, beschließt der Medizinstudent Marc (August Diehl) einen drastischen Locationwechsel. Vom behüteten Frankfurter Vorstadtleben macht er sich auf nach Cali, Kolumbien, um in einer der gefährlichsten Städte der Welt sein ärztliches Praktikum zu absolvieren.

Schon am ersten Tag bekommt der angehende Arzt in der Notaufnahme Opfer mit Schussverletzungen auf den Operationstisch. Das Projektil, das er aus dem blutenden Körper entfernt, hängt er sich als Talisman um den Hals. Marc möchte eintauchen in das wilde, gefährliche Leben der kolumbianische Metropole, in der rivalisierende Mafiakartells um die Vorherrschaft in den Favelas kämpfen.

Abends stürzt sich der abenteuerlustige Arzt in die lokale Partyszene und tritt nach durchkoksten Nächten bleichgesichtig den Dienst im Krankenhaus an, wo Tag für Tag die blutenden Opfer in den OP geschoben werden: stadtbekannte Killer, genauso wie Kinder und Jugendliche, die zwischen die Fronten geraten sind.

Marc lernt die Kioskbesitzerin Wanda (Marleyda Soto) kennen und wird durch sie mit der sozialen und kriminellen Realität in dem heruntergekommenen Viertel Siolé konfrontiert. Und schon bald kann er in den gewaltsamen Konflikten seine Position ärztlicher Neutralität nicht mehr halten und gerät mitten hinein in den alltäglichen Krieg der rivalisierenden Banden.

In Dr. Aléman präsentieren Regisseur Tom Schreiber und Drehbuchautor Oliver Keidel die Figur des sinnsuchenden Medizinstudenten als modernen Abenteurer, der durch eine Reise in die soziale Wildnis Kolumbiens der zivilisierten Langeweile seiner Heimat zu entfliehen sucht.

Im Zeitalter der Globalisierung wird der Mythos des mobilen Menschen genährt, der überall auf der Welt zu Hause ist. Dr. Alemán zeigt, mit welcher naiven Überheblichkeit westliche Reisende sich in die fremde Kultur hinein begeben und dabei schnell an ihre persönlichen und moralischen Grenzen stoßen. Die Abenteuerlust und Selbstfindungssehnsüchte des lebenshungrigen Mittelstandssohnes werden den sozialen Härten und der kriminellen Realität in Südamerika gegenübergestellt, ohne aus der Konfrontation ein moralisches Lehrstück machen zu wollen.

Schreiber ist bemüht die Verhältnisse weder zu beschönigen, noch zu hippen Gewaltgemälden zu verherrlichen. Besonders die OP-Szenen wirken auf schon fast schmerzhafte Weise authentisch, und den kolumbianischen Darstellern merkt man an, dass sie mit der Wirklichkeit, auf die sich diese Geschichte beruft, sehr vertraut sind.

Martin Schwickert

D 2008 R: Tom Schreiber B: Oliver Keidel K: Olaf Hirschberg D: August Diehl, Marleyda Soto, Andrés Parra