DüSTERE LEGENDEN


Quotiert geschlachtet

Und wieder ein Slasher unterwegs

Wer es als Berufsanfänger im Schauspielgewerbe Hollywoods zu etwas bringen will, sollte zur Zeit vor allem eins können: schreien. Neve Campbell schaffte als Scream-Queen den Karriere-Durchbruch, und das wiederbelebte Slasher-Genre hat naturgemäß einen hohen Verbrauch an jungen Talenten. Auch Jamie Blanks stellt in Düstere Legenden ein weitgehend unbekanntes Nachwuchsensemble aus blutjungen, opferbereiten Männern und Frauen vor, die hier recht paritätisch quotiert abgeschlachtet werden.
Auf dem Campus des altehrwürdigen Pendleton-College treibt ein Konzept-Killer sein serielles Unwesen. Nach dem Vorbild sogenannter urbaner Legenden meuchelt er wehrlose Kommilitoninnen und Kommilitonen auf blutige Weise.
Urban Legends
(so der Originaltitel) nennt man jene Horrormärchen, die einem gute Freunde als wahre Geschichten verkaufen und die durch mündliche Überlieferung zu modernen Volksmärchen geworden sind. In seiner Vorlesung klärt Professor Wexler (Robert Englund) alljährlich über dieses zeitgenössische Phänomen auf und sichert sich damit einen vorderen Platz auf Nathalies Verdächtigen-Liste. Nathalie (Alicia Witt) war selbst hautnah Zeugin eines solchen Mordes. Die Leiche verschwand spurlos, niemand glaubte ihr, denn ihr Bericht entsprach hundertprozentig einer jener bekannten Legenden. So begibt sie sich selbst auf die Suche nach dem Mörder und läßt dabei keine Gefahrensituation aus. Zielstrebig latscht die Heldin in jede noch so offensichtliche Falle, öffnet knarrende Holztüren, obwohl die anschwellende Musik schon längst Alarm geschlagen hat. War es nun der zwielichtige Professor, der freundliche Jungjournalist, Natashas beste Freundin oder einfach nur der unheimlich aussehende Putzmann? Keine Version hat Zeit sich zu entfalten, denn der Film hetzt ziellos von einem Schock zum nächsten. Bevor sich ein Verdacht erhärten kann, liegt der Verdächtige schon aufgeschlitzt am Boden.
Wie sein Vorbild Wes Craven, so arbeitet auch Jamie Blanks in seinem Spielfilmdebüt gerne mit der altbewährten "Fehlalarm-Technik". Komik und Horror greifen ineinander, wenn auch auf deutlich weniger intelligente Weise. Die selbstverliebte Zitierlust des Genres, die man im ersten -Teil so sehr zu schätzen begann, wandelt sich in Düstere Legenden zu einem lieblosen Abhaken der Horror-Vorschriften. So oder ähnlich, aber auf jeden Fall besser, hat man das alles schon einmal gesehen und ohne "Scream-Boom" hätte ein Film wie Düstere Legenden allenfalls auf dem Videomarkt eine Chance.

Martin Schwickert