DUMPLINGS - DELIKATE VERSUCHUNG

Schwer verdaulich
Das Rezept für ewige Jugend hat seien Preis

Irgendwann reichen Ananas-Diäten und Botox-Spritzen nicht mehr aus. Die Frau von heute sehnt sich stärker denn je nach ewiger Jugend und Schönheit. Da verschieben sich auch schon mal die moralischen Grenzen.
So sieht es zumindest Regisseur Fruit Chan. In Dumplings greift die in die Jahre gekommene Ex-Schauspielerin Quing Li zum äußersten Mittel, um ihren Ehemann wieder an sich zu binden, der sie immer öfter mit jüngeren Frauen betrügt. Fest entschlossen, ihrem Alterungsprozess entgegenzuwirken, sucht sie die Köchen Mei auf, die Gerüchten zufolge eine Rezeptur für ewige jugendliche Schönheit erfunden haben soll. Dumplings heissen ihre Teigtaschen. Die Füllung besorgt sie sich in Krankenhäusern; es handelt sich um tote, menschliche Föten. Die werden zerhackt, gewürzt, in Teig gerollt... und der wohlhabenden Kundschaft, wie Frau Li, auf dem Teller serviert.
Nach dem ersten unterdrückten Brechreiz verschwinden die zerkleinerten Babys ganz von allein in Quing Lis Mund, und der Verzehr zeigt Wirkung. Ihre Haut wird weicher, ihr Gesicht strahlt und ihr Mann begehrt sie wieder. Die Verjüngung kann gar nicht schnell genug gehen; wie eine Süchtige fordert Frau Li von Mei bald "the most potent stuff you haveö. Kurz darauf wird Mei um die illegale Abtreibung eines fast ausgewachsenen Embryos gebeten...
Mit Wong Kar-Wai-Filmen etwa kann man dieses Werk nicht vergleichen. Zwar fotografierte hier auch Christopher Doyle und sorgt für einprägsame Bilder, außerdem ist Dumplings auch made in Hongkong; das wars aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Wenn knorpliges Menschengehacktes hörbar zwischen den Zähnen zermalmt wird oder eine Frau mit ihren Highheels hysterisch in einer Lage Eier mit angebrüteten Küken herumstampft, bleibt das zwar im Gedächtnis, ist aber vor allem ekelerregend.
Fruit Chans Pamphlet gegen den Schönheits- und Jugendwahn enthält sich weitgehend jeder Stellungnahme und setzt auf die wenigen, dafür um so schockierenderen Effekte. Dumplings serviert eine inhaltliche Mischung, die im westlichen Kino nicht vorkommt: dieses Melodram mit Szenen im grenzwertigen Geschmacksbereich hinterlässt den europäischen Zuschauer größtenteils ratlos und macht so aus Dumplings einen in vielerlei Hinsicht schwer verdaulichen Film.

Michaela Sommer
HK 2004. R: Fruit Chan, B: Lilian Lee, K: Christopher Doyle, D: Bai Ling, Miriam Yeung, Tong Ka-Fai Leung